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Bei gleichem Rauchverhalten haben Frauen ein dreimal höheres Risiko für Lungenkrebs als Männer. Trotz geschlechtsspezifischer Unterschiede sind Therapien bisher meist auf Männer abgestimmt.

Foto: Dpa / Sascha Schuermann

Krems – Rauchen ist bekanntlich die Hauptursache für die Entstehung von Lungenkrebs. Bei Männern in Österreich ist das die zweithäufigste Krebserkrankung, bei Frauen liegt der Lungenkrebs bereits an dritter Stelle. Das hat nicht nur mit der wachsenden Zahl von Raucherinnen zu tun. Frauen haben überdies ein dreimal höheres Risiko als Männer, bei gleichem Rauchverhalten ein Lungenkarzinom zu entwickeln, weil die Schädigung der Zellen durch den höheren Östrogenspiegel beschleunigt wird.

Ein erschreckender Unterschied zwischen den Geschlechtern zeigt sich auch in der Sterberate, die bei den Männern in den vergangenen zehn Jahren um 20 Prozent zurückgegangen ist, während sie bei den an Lungenkrebs erkrankten Frauen im selben Zeitraum um fast 30 Prozent anstieg. Dieses Phänomen tritt nur bei Lungenkrebs auf. Eine geschlechtersensible Therapie wäre also gerade bei dieser Erkrankung dringend nötig. "Da Männer aber noch die größere Patientengruppe ausmachen, hat man bisherige Therapien eher auf sie abgestimmt", so die Biotechnologin Rita Seeböck vom Department Life Sciences der IMC-Fachhochschule Krems.

Veränderungen in der DNA

In ihrem vom Verkehrsministerium und der Forschungsförderungsgesellschaft FFG im Rahmen des Femtech-Talente-Programms geförderten Projekt will sie daher neue epigenetische Marker identifizieren, mit deren Hilfe Männer wie auch Frauen die für sie optimale Therapie erhalten sollen.

Epigenetische Marker sind Veränderungen an DNA-Abschnitten, die durch den Lebensstil beeinflusst werden: etwa durch Rauchen, Stress oder Sonneneinstrahlung. "Durch diese äußeren Einflüsse können verschiedene Areale in der DNA ein- oder ausgeschaltet werden", sagt Seeböck. "Während ein gesunder Mensch im besten Fall 100 Prozent des Genoms zur Verfügung hat, ist bei einem kranken unter Umständen ein Teil davon ausgeschaltet oder nicht verfügbar. Dadurch hat er ein deutlich geringeres Repertoire an Proteinen in der Zelle."

In ihrer Studie möchte die Forscherin den sogenannten Methylierungsstatus einer Reihe potenzieller epigenetischer Markergene analysieren und die darin erkennbaren geschlechtsspezifischen Unterschiede von Lungenkrebspatienten und -patientinnen aufzeigen. Die Methylierung ist eine kleine chemische Veränderung an Genen, bei der sich Methylgruppen an einzelne DNA-Abschnitte anheften. Die dort befindlichen Erbinformationen werden auf diese Weise ausgeschaltet, die Gene können nicht mehr gelesen werden. In den nächsten drei Jahren wollen Rita Seeböck und ihr Team neue kostengünstige Methoden zur Detektion von DNA-Methylierungsmustern entwickeln und ihre Anwendbarkeit in der molekularen Diagnostik prüfen.

In den vergangenen eineinhalb Jahren hat die Forscherin sechs epigenetische Marker identifiziert, an denen sich die Unterschiede zwischen Männern und Frauen besonders gut ablesen lassen. Mit ihnen soll es möglich werden, den geschlechtsabhängigen Krankheitsverlauf früh vorherzusagen. "Auf Basis der Informationen, die man durch diese Marker bekommt, werden die Prognosen genauer und der Arzt kann die jeweils passende Therapie auswählen", sagt Seeböck.

So kann man mithilfe der neuen Marker etwa Tyrosinkinaseinhibitoren (Wachstumshemmer), die sich in den vergangenen Jahren als erste Instrumente einer personalisierten Tumortherapie beim Lungenkarzinom durchgesetzt haben, zielgerichteter einsetzen. "Wir wissen, dass Tyrosinkinaseinhibitoren besser wirken, wenn gewisse Mutationen vorliegen", sagt Seeböck. "Da solche Mutationen bei Frauen signifikant häufiger auftreten, würde ein entsprechender epigenetischer Marker bei der Untersuchung die Chancen der Betroffenen auf diese teure Therapie erhöhen."

Reines Frauenteam

Zurzeit werden Tyrosinkinaseinhibitoren nur bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen verordnet, wenn ein günstiger genetischer Status im Tyrosinkinasegen nachgewiesen wurde. "Eine tatsächlich personalisierte Medizin sollte jedoch die gesamte Signalkaskade, die zum Wachstum der Tumorzelle beiträgt, sowie weitere Markergene betrachten."

Dass Seeböcks Forschergruppe ein reines Frauenteam ist, war "zwar nicht so geplant, angesichts eines Frauenanteils von rund 80 Prozent im Studiengang Medizinische und Pharmazeutische Biotechnologie aber auch kein Zufall", so die Forscherin. Sie hofft, mit dem Projekt auch das Bewusstsein für geschlechtssensible Medizin zu stärken. (Doris Griesser, 3.8.2017)