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Uhuru Kenyatta muss um seine Wiederwahl bangen.

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Raila Odina will im dritten Anlauf endlich Präsident werden.

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Nairobi/Johannesburg – Der grausame Mord an einem hochrangigen kenianischen Wahlbeamten hat den Blick auf die ohnehin mit Sorgen erwarteten Wahlen noch weiter verfinstert. Chris Msandos verstümmelter Leichnam wurde am Montag in einem Leichenhaus der Hauptstadt Nairobi gefunden, nur acht Tage vor der mit Spannung erwarteten Wahl. Der Computerexperte war für das elektronische Zählsystem der Abstimmung verantwortlich, das eine Manipulation der abgegebenen Stimmen ausschließen soll.

Msando wurde bereits zwei Tage zuvor als vermisst gemeldet. Inzwischen ausgewertete Bilder von Überwachungskameras zeigen, dass der Wahlbeamte in der Nacht zum Samstag in seinem Fahrzeug eine Irrfahrt durch Nairobis Straßen zurücklegte – begleitet von drei Personen. Einmal stieg Msando aus, um ein Telefongespräch zu führen: Er habe verstört ausgesehen, teilte ein Kenner der Aufzeichnungen Kenias Tageszeitung Standard mit. Der Leichnam des Ermordeten wies schwere Verletzungen am Kopf und Hals auf, außerdem fehlte ihm ein Arm. "Es besteht kein Zweifel, dass er gefoltert und ermordet wurde", sagte der Chef der Wahlbehörde, Wafula Chebukati, nach der Besichtigung des Leichnams: "Die Frage ist, wer ihn warum getötet hat."

Ebenfalls am Wochenende kam es noch zu einem anderen tödlichen Zwischenfall: Ein mit Pistole und Machete bewaffneter Mann drang in den Landsitz des Vizepräsidenten William Ruto ein und schoss auf einen Polizisten. Nach mehrstündiger Belagerung des Hauses wurde auch der Eindringling von der Polizei erschossen.

Beim Urnengang am kommenden Dienstag stehen sich in erster Linie der amtierende Präsident Uhuru Kenyatta und der Chef der oppositionellen "National Super Alliance" (Nasa), Raila Odinga, gegenüber. Laut Umfragen ist der Vorsprung Kenyattas zuletzt weggeschmolzen: Bei der jüngsten Erhebung lagen beide Kandidaten mit je 46 Prozent Kopf an Kopf. Odinga hatte bereits die letzte Abstimmung 2013 nur äußerst knapp gegen Kenyatta verloren – vor fünf Jahren fehlten ihm lediglich 8000 Stimmen für eine Stichwahl.

Angst vor Unruhen

Wahlfälschung habe ihm den Sieg gekostet, sagte Odinga damals: Doch seine Beschwerde wurde vom Verfassungsgericht abgelehnt. Schon 2013 sollte das elektronische System eingesetzt werden, brach aber aus technischen Gründen zusammen.

Viele Kenianer befürchten nun eine Wiederholung der Zwischenfälle vor zehn Jahren, als nach der Auszählung der Stimmen schwere Unruhen ausbrachen. Mehr als 1200 Menschen kamen ums Leben, 800.000 wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Oppositionschef Odinga ist überzeugt, dass ihm schon damals der Sieg gestohlen wurde: Tatsächlich hatte die Wahlkommission bereits vor der endgültigen Auszählung der Stimmen den Sieg des Kenyatta-Vorgängers Mwai Kibaki erklärt.

Augenzeugen zufolge haben die Spannungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Kenia derzeit bedrohliche Ausmaße angenommen. Zahlreiche Dorfbewohner brächten sich in Sicherheit, hieß es: In den Büros der Hauptstadt Nairobis sprächen Angehörige verschiedener Ethnien kaum noch miteinander.

In der kenianischen Politik stehen sich schon seit der Unabhängigkeit des Landes 1963 vor allem die Vertreter der beiden bevölkerungsreichsten Gruppen, der Kikuyu und Luo, gegenüber. Damals stritten sich die beiden Väter der heutigen Kontrahenten, der Kikuyu Jomo Kenyatta und der Luo Jaramogi Odinga, um die Macht, schon damals siegte Kenyatta. Den Luo gelang es bislang noch nie, die Regierung zu übernehmen. Umgekehrt wäre Uhuru Kenyatta im Falle seiner Niederlage der erste kenianische Präsident, der an einer Wiederwahl scheitert.

Kenia erlebt derzeit einen moderaten Wirtschaftsboom, mit Wachstumsraten von über fünf Prozent. Allerdings gilt der Staat weiterhin als hochgradig korrupt; der politischen Elite wird vorgeworfen, vor allem an ihrem eigenen materiellen Wohl interessiert zu sein. Sollten die Wahlen nicht friedlich verlaufen, prophezeit Samuel Nyademo, Ökonom an der Nairobi Universität, käme das einem "Desaster" gleich. (Johannes Dieterich, 1.8.2017)