Spiele für das Volk: Die Damen feiern Siege, die Nation fiebert mit. Fußball ist unser Circus Maximus.

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Was ein lehrreiches Paradoxon ist, erleben wir derzeit hierzulande. Österreichische Männer kaufen sich Bier, um einen gemütlichen Abend beim Frauenfußball zu verbringen. Mehr Männer als Frauen schauen sich diese Spiele an, die Politik interessiert sich jählings für eine – sagen wir es ruhig – Randsportart. In den Netzwerken überschlagen sich die Gratulanten, Fußball schauen inzwischen auch jene Frauen, die sich für den Sport vormals gar nicht interessierten. Politikerinnen werden um Interviews gebeten, was bisher bei diesem Thema schon bemerkenswert einzigartig ist.

Was hier so glänzt, dem Fernsehen Einschaltquoten bringt und den Zeitungen heiße Schlagzeilen, hat einen weniger schillernden Hintergrund. Im tatsächlichen Leben sind unsere österreichischen Sportlerinnen geradezu bedenklichen arbeitsrechtlichen Verhältnissen ausgesetzt. Schauen wir dorthin, wovon sich jener Erfolg speist, den wir Zuschauer auch für uns reklamieren.

Der Alltag dieser Frauen besteht vor allem aus Trainingseinheiten. Je nach Club und Liga, in der gespielt wird, sind zwischen vier bis sieben Einheiten pro Woche notwendig. Nebenher einen herkömmlichen Beruf auszuüben ist daher nicht möglich. Mithin ist dies also der Beruf der Frauen, wenngleich eine Profession, die nicht bis ins hohe Alter ausgeübt werden kann und die in keinem Berufs- oder Arbeitsrecht verankert ist.

Nun ist der Aufschwung, den die österreichische Nation gerade zum eigenen Aufputz nutzt, nicht auf goldenem Stroh gebettet. Dieser Triumph bietet die Chance, endlich auf die sozialen Bedingungen der Branche zu sehen und dabei sogar gehört zu werden. Profifußball generell ist ein knallhartes Geschäft, das mit einer sehr volatilen Ware handelt. Die Spieler sind dabei der kostbarste, wenngleich risikobehaftete Wert. Die Grundlage ist die im eigentlichen Sinne des Wortes geleistete Knochenarbeit.

Österreichs Frauen laufen unter österreichischer Flagge und erzeugen eine Identität, wie sie intensiver kaum sein könnte. Aber sie arbeiten nicht unter österreichischer Flagge. Der Löwenanteil der Spielerinnen ist im Ausland unter Vertrag. 14 der 15 Frauen, die bei ausländischen Clubs spielen, rennen sich ihre Füße in Deutschland wund. Sie sind, wie alle Fußballer, einem Club verpflichtet. Sie arbeiten für einen Verein. Neben dem Dienst am Club müssen sie noch auf Großereignisse wie EM oder WM hinarbeiten – was man ruhig arbeitsrechtlich als Doppelbelastung auslegen kann. Sich dabei noch ein anderes, ein solideres, bürgerlich gefestigteres Standbein zu schaffen ist nahezu unmöglich.

Sesshaft werden, wie es sich irgendwie doch jeder von uns unter gesicherten Aspekten wünscht, muss auf die Zeit nach der Profikarriere verschoben werden. Beim Frauenfußball kommen noch biologische Umstände als Erschwernis hinzu. So leiden beispielsweise Frauen häufiger an Verletzungen am Kniekreuzband. Wie auch bei den Männern ist es kaum möglich, diesen Beruf länger als zehn Jahre auszuüben. Spätestens nach dieser Zeit stehen die Frauen vor der Frage nach Familienplanung und deren finanziellen Rahmenbedingungen.

Dazu ist zu sagen: Die erfolgreicheren unter ihnen spielen im Ausland und verdienen ca. 30.000 Euro brutto (inkl. Prämien) im Jahr. Diese Angaben gelten auch für 50 Prozent der Männer in der Bundesliga hierzulande. Umgelegt auf die Arbeitszeiten der Woche und Wochenenden fällt das schon unter Schinderei. Unsere Fußballerinnen und Fußballer sind unser Circus Maximus, sie schwitzen für uns, sie bluten für uns, sie wecken in uns schlummernde Leidenschaften, und wir bezahlen sie miserabel. Seit den Tagen der römischen Antike wusste die Politik geschickt den Plebs mit Spielen von sich abzulenken. Freundlich formuliert zeugen die Zurufe der Politik der letzten Stunden von einer beeindruckenden Unwissenheit.

Es geht an dieser Stelle nicht um "equal pay". Wenn alle gleich schlecht entlohnt werden, sollten wir über generelle Verbesserungen in diesem Beruf reden. Dazu gehört, ein solides Arbeitsgesetzmodell bzw. ein Berufssportgesetz mit allem nötigen Drumherum (Pensions- und Steuermodelle) zu entwerfen und Arbeitsregelungen zu schaffen, die die Arbeitnehmer am Ende ihrer Karriere nicht in eine Bittstellerschaft gegenüber dem Sozialstaat zwingen.

Gerade weil Sport ein bedeutender volkswirtschaftlicher Faktor ist, muss er in diesem Kontext verortet werden. Minister und Anwärter mit ernsthaftem Interesse haben jetzt die Chance, jenen etwas zurückzugeben, die ihnen gerade dabei helfen, sich mit dem Volk gemeinzumachen, sich bei diesem in Erinnerung zu rufen. Die Siege der Frauen helfen der Nation, sich für einen Augenblick neu zu konturieren, Gemeinsamkeiten unter Nachbarn zu finden, wo es sonst keine gibt. Dafür gebührt unseren Sportlern Respekt, der ruhig in Form eines Berufssportgesetzes geleistet werden kann.

Die gewerkschaftliche Vertretung der Fußballer (VdF, Younion) nimmt vom 7. bis 8. August in Amsterdam an der Women's Football Conference teil – mit einem weiblichen und einem männlichen Vertreter. Bei Interesse vonseiten der Politik sind die beiden jederzeit zur Auskunft bereit. (Elsbeth Wallnöfer, Gernot Baumgartner, 2.8.2017)