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Bosnische Autobahnbaustelle

Foto: REUTERS/Damir Sagolj

Es ist eigentlich ein sehr kleines Land, doch wer nach Bosnien-Herzegowina fährt oder wieder hinauswill, der muss sich oft mit Geduld und viele Stunden lang über enge, gefährliche Straßen mit vielen Schlaglöchern und durch alte, stockdunkle Tunnel, in denen das Wasser heruntertropft, vorwärtsbewegen.

Jeder Kilometer Autobahn, der hier in den letzten Jahren gebaut wurde, ist eine Erlösung für den Reisenden. Allerdings ist von der 350 Kilometer langen Gesamtstrecke erst ein Teilstück von 70 Kilometer von Zenica nach Sarajevo fertiggestellt. Abgesehen davon gibt es eine kurze Autobahn von der kroatischen Grenze bis nach Banja Luka.

Im Rahmen des Paneuropäischen Verkehrskorridors wird der Ausbau der bosnischen Autobahn schon lange angestrebt, und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) vergibt Kredite, weil sie überzeugt davon ist, dass gerade die Verkehrsinfrastruktur eine Bedingung dafür ist, dass Investoren an dem wirtschaftlich sehr schwachen Land überhaupt Interesse finden.

Hahn verärgert

Doch man könnte meinen, dass all dies und eine positive Entwicklung manchen bosnischen Politikern völlig egal ist. Im Gegenteil: Wegen des Widerstands des Landesteils Republika Srpska (RS) konnte der Ministerpräsident von Bosnien-Herzegowina, Denis Zvizdić, beim Balkangipfel in Triest das Verkehrsabkommen mit der EU nicht unterzeichnen – obwohl die anderen Regierungen des Balkans genau dies taten. EU-Kommissar Johannes Hahn, der sich im Vorfeld und bis jetzt auf diplomatischer Ebene darum bemüht, dass dies doch noch gelingt, äußerte nun seine Verärgerung in einem deutlichen Schreiben an Zvizdić.

Aus EU-Perspektive sei die fehlende Unterzeichnung sehr entmutigend, meinte Hahn, zumal Bosnien-Herzegowina ab Februar Zeit gehabt habe, sich intern zu einigen. Hahn verwies auf vier Straßenprojekte, die die EU mit 46 Millionen Euro kofinanzieren wolle und die auch Arbeitsplätze schaffen würden und das Leben der Bürger verbessern könnten. Er drohte, dass die EU-Kommission das Geld an anderer Stelle einsetzen werde. "Wenn Sie bis Ende September keine Lösung für die Probleme sehen, werden Sie verstehen, dass wir eine Umverteilung der Mittel für die Projekte in den Nachbarländern machen müssen", so Hahn.

Neue Verbrauchersteuer ist Bedingung

Der Kommissar verwies zudem darauf, dass die Vorbedingung für die Auszahlung der EU-Gelder für den Straßenbau die neue Verbrauchersteuer sei. Das Gesetz dafür scheiterte zuletzt wegen fehlender Zustimmung der Parteien, obwohl der bosnischen Regierung die Notwendigkeit der Verbrauchersteuer von der EU klargemacht worden war. Den Bosniern werden nun also auf symbolischer Ebene die Daumenschrauben angelegt. Die EU agiert hier gemeinsam mit der Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF).

Pierre Heilbronn, Vizepräsident der EBRD, verweist im Gespräch mit dem STANDARD darauf, dass die EU-Gelder für die Straßenbauprojekte und die Kredite, die die EBRD für Bosnien-Herzegowina bereithält, aneinander gebunden sind. Man könne die Kredite über 250 Millionen Euro, die für heuer für den Ausbau des Korridors vorgesehen seien, ohne die entsprechenden Voraussetzungen nicht vergeben.

"Es war immer klar, dass die Regierung vorher die Verbrauchersteuer anpassen oder eine vergleichbare Maßnahme einführen muss, denn wir brauchen finanzielle Stabilität. Wir können keine Kredite vergeben, wenn wir nicht Aussicht auf Rückzahlung haben. Und ohne die finanzielle Stabilität wird es keine Investoren geben", so Heilbronn zum STANDARD. Die EBRD hat Bosnien-Herzegowina bereits Darlehen in der Höhe von 200 Millionen Euro für den Korridor, der insgesamt drei Milliarden kosten wird, ausbezahlt und spielt damit eine wichtige Rolle.

Kredite blockiert

Die Auszahlung bereits bewilligter und künftiger Kredite hängt von der Schaffung eines stabilen Haushaltsrahmens ab. Der IWF stellt ähnliche Bedingungen. Nun sei das Geld aber blockiert, betont Heilbronn und meint, dass auch mit dem IWF diskutiert werde, ob nicht weitere Kredite gestoppt werden. Der Banker ist der Meinung, dass bis September oder Oktober das Gesetz verabschiedet werden solle. Wenn dies nicht geschehe und sich die EU aus der Finanzierung verabschiede, werde es für die bosnische Regierung immer schwieriger, Geldgeber für die Fertigstellung des Korridors zu finden. "Die Verhandlungen dazu werden sicher tougher", prognostiziert er.

"Jetzt gibt es noch eine begrenzte Gelegenheit, das zu schaffen. Die nächsten Wochen sind entscheidend", verweist Heilbronn auf die Dringlichkeit der Angelegenheit. Es gehe auch darum, ein positives Bild des Landes für Investoren zu schaffen. Für die EBRD sei es besonders wichtig, künftig Investitionen im Privatsektor zu unterstützen.

"Wir sind ja nicht nur eine Bank, wir denken, dass Reformen zentral sind, um Entwicklung zu fördern." Die Zusammenarbeit mit der EU und Geldgebern wie der EBRD ist seit der Finanzkrise stark gestiegen – Politikinitiativen werden nun koordiniert. "Wir richten uns mit den gleichen Botschaften an die Regierungen, die EU-Kommission und wir verbinden unsere Kräfte", so Heilbronn. "Denn sonst kann man vor Ort nichts ändern." Die EU unterstützt zurzeit auch einige große Infrastrukturprojekte in anderen Balkanstaaten.

Chinesische Investitionen

Offensichtlich ist, dass China im Rahmen der Initiative "Straßen und Gürtel" immer mehr in den Straßenbau in Südosteuropa investiert. Kürzlich besuchte der Vorsitzende des chinesischen Nationalkongresses, Zhang Dejiang, in dieser Sache die serbische Regierungschefin Ana Brnabić. (Adelheid Wölfl, 4.8.2017)