Die Wiener Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits fordert vor allem Präventionsarbeit und Bewusstseinsbildung im Kampf gegen Kinderehen.

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Wien – Grundsätzlich ist es für Monika Pinterits einmal wichtig, "dass man das Ziel entwickelt, weltweit Ehemündigkeit ab 18 umzusetzen". "Aus menschenrechtlichen Gründen" hat die Wiener Kinder- und Jugendanwältin aber Einwände gegen den Vorstoß von Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP), die alle Ehen mit minderjährigen Partnern annullieren möchte, um so Kinderehen zu unterbinden. Karmasin möchte, dass Ehen künftig ausnahmslos erst ab 18 geschlossen werden können. In Österreich ist das derzeit unter bestimmten Auflagen auch schon mit 16 möglich.

Pinterits tritt bei Kinderehen für eine "individuelle Lösung nach Kindeswohl" ein: "Nicht jede Ehe von Minderjährigen ist eine Zwangsehe", sagt sie im STANDARD-Gespräch: "Es gibt sehr unterschiedliche Gründe, wenn diese Ehen existieren. Es kann Liebe sein, es kann auch Schutz sein, wenn Mädchen auf der Flucht in vermeintlich gutem Willen verheiratet werden." Laut der Hilfsorganisation SOS-Kinderdorf waren vor Ausbruch des Krieges bei 13 Prozent aller syrischen Hochzeiten ein oder beide Ehepartner jünger als 18, mittlerweile sind es mehr als 51 Prozent.

Von Fall zu Fall differenziert vorgehen

Diese Hintergründe für eine Kinderehe müssten von Fall zu Fall bewertet werden, sagt Pinterits: "Was bedeutet eine Eheannullierung rechtlich und menschlich? Was, wenn es Kinder gibt? Wie ist die soziale Situation? Da muss man sehr differenziert vorgehen."

Sie betont vor allem die Wichtigkeit von "Beratung, Aufklärung und Präventionsarbeit. Es braucht Sensibilisierung, was Kinderehe ist. Auch wenn scheinbar 'Schutz' dahinter ist, kann das trotzdem bedeuten, dass das Mädchen oft einem viel älteren Mann ausgesetzt ist. Daher gilt: Unterstützung und Hilfe, wo notwendig, aber auch, wo es Kinder gibt oder es vielleicht eine Liebesheirat ist."

Pauschalannullierung "eine sehr grobe Sache"

Auch Verfassungsjurist Heinz Mayer hält eine rückwirkende Annullierung aller Ehen von 16- und 17-Jährigen für "eine sehr grobe Sache" und sieht einen "undurchdachten Vorschlag". Würde ein Ehevertrag so aufgehoben, "müsste man alles rückabwickeln. Was ist zum Beispiel, wenn die beiden gemeinsam eine Eigentumswohnung haben?" Einzelfälle, etwa Ehen, die, ob im In- oder Ausland, unter Zwang zustande gekommen seien und damit innerstaatlichen Rechtsgrundsätzen (Ordre public) widersprechen, könnten nach geltendem Eherecht ja schon jetzt annulliert werden: "Kinderehen fallen darunter", erklärt Mayer: "Das geltende Recht reicht." (Lisa Nimmervoll, 4.8.2017)