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Wenn im Vanilleeis keine schwarzen Pünktchen zu sehen sind, die auf die Verwendung von natürlicher Bourbonvanille schließen lassen, deutet das auf synthetisierte Aromen hin.

Foto: Picturedesk/ Chrom Orange/ Barbara Neveu

Graz – Von Hygieneartikel und Tabakware bis Lebensmittel: Feine Aromen sind begehrt. Viele so sehr, dass natürliche Ressourcen nicht ausreichen, um der Nachfrage gerecht zu werden. So können etwa nur drei bis fünf Prozent des Bedarfs an Vanilleduft aus Pflanzenschoten gedeckt werden, während der große Rest mithilfe umweltschädlicher Chemikalien und Lösungsmittel hergestellt wird.

Dies könnte sich bald ändern. Denn ein Forscherteam um Biotechnologin Margit Winkler vom Austrian Centre of Industrial Biotechnology (Acib) hat eine neue Methode entwickelt, mit der sich reine Duftstoffe nahezu ohne chemische Hilfsmittel produzieren lassen: Enzyme machen es möglich, chemische durch natürliche Prozesse zu ersetzen und Aromen somit deutlich umweltschonender zu gewinnen. "Was den Duft in viele Produkte bringt, sind Aldehyde. Die Duftstoffe setzen sich aus organisch-chemischen Verbindungen zusammen. Je nach Molekülstruktur bilden sie unterschiedliche Aromen aus, wie etwa Vanille, Gras oder Mandel", sagt Winkler. Acib ist eines von fünf K2-Zentren, die im Kompetenzzentrenprogramm Comet von der Förderagentur FFG mit Mitteln von Verkehrs- und Wissenschaftsministerium unterstützt werden.

Wie Vanille und Mandeln

Um entsprechende Substanzen synthetisch aus Säuren gewinnen zu können, bedurfte es bislang eines energieintensiven Verfahrens, für das hochreaktive Reduktionsmittel nötig sind – hoher Ressourcenaufwand und giftige Abfälle inklusive. Die neue Enzymfunktion erlaubt es, biotechnologische Produkte schonend herzustellen oder einen chemischen Produktionsschritt zu ersetzen.

Als Modellsubstanz wählten die Forscher Piperonal, das fruchtig nach Vanille und Mandeln duftet. Winkler: "Wir verwenden einen vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) zur Verfügung gestellten Biokatalysator, den wir mit einem Enzym aus dem Pilz Neurospora crassa ausgestattet haben. So können wir Aldehyde sehr selektiv produzieren."

Was jetzt anstelle der bisher verwendeten Reduktionsmittel die Wandlung vom Grundstoff Säure zu Aldehyd voranreibt, sind natürliche Energieträger aus Escherichia-coli-Bakterien. "Die gesamte Reaktion findet, wie in der Natur, direkt in der Zelle statt. Damit kommt sie ohne Beigabe von Lösungsmitteln aus und spart Energie und Ressourcen, indem sie unter milden Bedingungen bei 28 Grad Celsius und in wässriger Umgebung durchgeführt wird."

Das erfreuliche Ergebnis: reines Piperonal, das duftet wie die Vanilleblume Heliotropium arborescens. An weiteren Aromen werkt das Acib-Team derzeit. Und an Interesse aus der Industrie mangelt es nicht: "Wir arbeiten bereits mit einem Partner daran, das neue Verfahren industriell nutzbar zu machen", sagt Winkler.

Die Dosis macht das Gift

Schon in wenigen Jahren soll das neue Verfahren die Umwelt von Giftstoffen entlasten – und der Industrie Kosteneinsparungen und höhere Produktivität bieten: "Mit unserem Enzym haben wir den höchsten bisher erzielten Output von 1,5 Gramm pro Liter und Stunde erreicht." Die damit mögliche Ersparnis lässt sich noch nicht beziffern, weil das Forschungsstadium noch nicht gänzlich abgeschlossen ist. Vorerst muss noch geprüft werden, wie viel Substanz aus den neuen Enzymen gewonnen werden kann.

Wer allerdings meint, der nun entwickelte biokatalytische Prozess generiere "natürliche" Aromen, weil Pilz wie auch Bakterien in der Natur vorkommen, irrt. "Das von uns dazu zugekaufte Substrat wurde vermutlich chemisch hergestellt und ist nicht als natürlich klassifiziert", sagt Winkler. Ob die neue Methode also die verbreitete Sorge, durch zugesetzte Aromastoffe in Produkten wie Zahnpasta, Waschmittel oder Eiscreme die eigene Gesundheit zu schädigen, obsolet macht, beantwortet sie so: "Jede Verbindung hat eine bestimmte chemische Struktur – egal, ob sie natürlich isoliert oder synthetisch hergestellt wurde. Liegt Toxizität vor, ist sie in beiden Varianten da. Der Unterschied ist die Menge: Während natürliche Aromen aus Substanzgemischen bestehen, sind chemische Aromen üblicherweise sortenrein. Ein Unterschied in der Wirkung ist nur bei höherer Dosierung zu erwarten."

Dies bedeute zwar keineswegs, dass künstliche Zusatzstoffe automatisch gesundheitsbedrohend seien. Aber, so Winkler: "Die Dosis macht das Gift. Man kann ohne Bedenken Vanilleeis ohne jene ,schwarzen Punkte', die auf Verwendung natürlicher Bourbonvanille schließen lassen, essen – aber eben nicht täglich." Wobei: Auch diese Pünktchen lassen sich theoretisch auf andere Art als aus Pflanzenschoten fabrizieren. (Elisabeth Schneyder, 13.8.2017)