Wien – Am Fuße des Bisambergs wird scharf geschossen. In Sekundenabständen knallt es hinter den gelben Mauern des Areals in Wien-Floridsdorf. Der vom Heeressportverein (HSV) Wien betriebene Schießplatz Stammersdorf, um 1940 von der deutschen Wehrmacht angelegt und später verkleinert, ist einer von drei militärischen Schießplätzen in Wien, er wird auch privat genutzt. Die Schießstände sind hörbar gut gebucht, wie bei einem Lokalaugenschein am Dienstag festgestellt werden kann.

Kaum zu glauben, dass sich hier in unmittelbarer Umgebung in den Weinbergen des Heurigenorts scheinbar unbeeindruckt vom Krach die größte Zieselkolonie Wiens angesiedelt hat. Alle drei Jahre wird laut dem Wiener "Zieselaktionsplan" die Population erhoben. Die in diesem Rahmen von Experten erhobene Zählung zeigt: Am dichtesten mit den streng geschützten Zieseln besiedelt sind jene Felder im Weinbaugebiet, die direkt an den Schießplatz angrenzen.

Ein echtes Stammersdorfer Ziesel.
Wolfgang Khutter

8.500 Ziesel in Wien

In und rund um die Weinberge im Nordwesten Wiens, wo die Tiere Nahrung und Schutz finden, sollen rund 6.000 Ziesel leben, sagt Wolfgang Khutter, stellvertretender Leiter der Wiener Umweltschutzabteilung (MA 22). Das sind mehr als drei Viertel der gesamten Wiener Zieselbestände, die rund 8.500 Individuen ausmachen sollen. Größere Bestände gibt es auch noch im Süden Wiens, am Goldberg und in Unterlaa. Etwa jeder vierte Ziesel in Österreich lebt damit innerhalb der Wiener Stadtgrenze.

Ausreißer nach oben und unten seien zwar typisch, sagt Josef Mikocki, Experte der MA 22. In den vergangenen zehn Jahren sei die Zahl der Ziesel in Wien aber gestiegen.

In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Ziesel in Wien laut MA 22 gestiegen.
Wolfgang Khutter

Zu 80 Prozent befinden sich die Baue der Ziesel in Gebieten, die nach dem Wiener Naturschutzgesetz geschützt sind. Die Ziesel im Nordosten der Stadt befinden sich zudem zum Großteil im Natura-2000-Gebiet Bisamberg, das vielen weiteren Tier- und Pflanzenarten Lebensraum bietet.

Ziesel unter Druck

Weichen mussten die Ziesel aber bei einem heftig umstrittenen Bauprojekt beim Stammersdorfer Heeresspital: Nach jahrelangen Diskussionen erfolgte dort Ende April der Startschuss für die Errichtung von zunächst 130 Wohnungen, im weiteren Verlauf sollen insgesamt 950 Wohneinheiten errichtet werden. Die MA 22 versichert, dass zuvor alle Ziesel am Areal – geschätzt wurden etwa 200 – auf Ersatzflächen abgewandert sind.

Die zu erwartende Stadtentwicklung wird den Druck auf die Zieselpopulation im Nordosten Wiens, die nicht durch Schutzgebiete geschützt sind, aber weiter erhöhen: So sollen neben den geplanten 950 Wohnungen weitere Einheiten entstehen. Anträge für bebaubare Flächen müssen aber erst von der MA 22 bewilligt werden. "Es kommt kein Ziesel zu Schaden", bekräftigt Khutter. (David Krutzler, 8.8.2017)