Dunkle Materie ist eine vorerst immer noch hypothetische Substanz, die dem Kosmos jene fehlende Masse hinzufügt, um einige astrophysikalische Phänomene wie etwa die Rotationsgeschwindigkeit von Galaxien oder den Gravitationslinseneffekt zu erklären. Nun haben deutsche Astrophysiker eine neue Theorie zur Entstehung dieses Stoffs präsentiert.

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Mainz – Ein internationales Team von Astrophysikern hat in der vergangenen Woche die bisher genaueste und umfassendste Karte der Verteilung von Dunkler Materie im Universum vorgestellt. In mehreren Studien bestätigten die Wissenschafter bisherige Annahmen, wonach der Kosmos von vier Prozent "herkömmlicher" Materie, 26 Prozent Dunkler Materie und 70 Prozent Dunkler Energie erfüllt ist.

Während sich über die Natur der Dunklen Energie bisher nur sehr wenig sagen lässt (außer, dass sie für die beschleunigte Ausdehnung des Universum verantwortlich ist), gibt es zur Existenz der Dunklen Materie viele Theorien und Experimente. Fakt scheint zu sein, dass dieser bisher unentdeckte mysteriöse Stoff in großem Maßstab enormen gravitativen Einfluss ausübt. So lässt Dunkle Materie etwa die äußeren Ränder naher Galaxien schneller rotieren, als man es aufgrund der dort beobachtbaren Sterne, Gas- und Staubwolken erwarten würde.

Alternative zu den WIMPs

Wissenschafter der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben nun einen neuen Vorschlag unterbreitet, wie die Bildung Dunkler Materie im frühen Universum abgelaufen sein könnte. Das neue Modell stellt eine Alternative zum WIMP-Paradigma dar, das in der aktuellen Forschung über verschiedene Experimente verfolgt wird.

Derzeit wird angenommen, dass es sich bei der Dunklen Materie um ein kosmologisches Relikt handelt, das seit seiner Entstehung im Wesentlichen stabil geblieben ist. "Wir haben diese Annahme auf den Prüfstand gestellt und zeigen, dass Dunkle Materie zu Beginn des Universums instabil gewesen sein könnte", erklärt Michael Baker von der Theoriegruppe am Institut für Physik der JGU. Diese Instabilität stellt wiederum einen neuen Mechanismus dar, der die beobachtete Menge Dunkler Materie im Kosmos erklärt.

Gebrochene Symmetrie

Die Stabilität der Dunklen Materie wird normalerweise mit einem Symmetrieprinzip erklärt. In ihrer Studie in den "Physical Review Letters" zeigen Baker und Joachim Kopp dagegen, dass das Universum auch durch eine Phase gegangen sein könnte, in der die Symmetrie gebrochen war. Dies würde einen Zerfall des hypothetischen Dunkle-Materie-Teilchens möglich machen. Während des elektroschwachen Phasenübergangs wurde die Symmetrie wieder hergestellt, die Dunkle Materie damit stabilisiert und ihr Vorkommen im All bis zum heutigen Tag fixiert.

Baker und Kopp führen damit ein neues Prinzip in die Diskussion um die Natur der Dunklen Materie ein, das eine Alternative zu der verbreiteten WIMP-Theorie darstellt. WIMPs, vom englischen Weakly Interacting Massive Particles, also schwach wechselwirkende massereiche Teilchen, galten bislang als hoffnungsvolle Kandidaten bei der Suche nach den Bestandteilen der Dunklen Materie. Nach ihnen wird insbesondere in gut abgeschirmten Untergrunddetektoren gesucht. "Die Abwesenheit von überzeugenden Signalen motivierte uns, nach Alternativen zum WIMP-Paradigma zu suchen", so Kopp.

Ungleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie

Der jetzt vorgestellte Mechanismus könnte auch, so die beiden Physiker, in Verbindung zu dem offensichtlichen Ungleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie im Kosmos gebracht werden, wie auch zu Signalen, die bei den anstehenden Experimenten zu Gravitationswellen aufkommen. Baker und Kopp sehen auch Möglichkeiten, wie das neue Prinzip am Teilchenbeschleuniger LHC und anderen Einrichtungen nachgewiesen werden könnte. (red, 8.8.2017)