Salzburg – Marianne Crebassa und Fazil Say haben am Dienstag in Salzburg mit Vokal- und Klavierwerken von Ravel, Debussy, Fauré, Satie und Duparc abseits des gängigen Repertoires eine dramatische Geschichte erzählt. Höhepunkt waren hochpolitische, klangsinnliche Werke von Say selbst. Doch von Anfang an.

Die Mezzosopranistin und der Pianist, Komponist und Performer eröffneten mit Maurice Ravels Vocalise-étude, einer leidenschaftlichen Habanera ohne Text – um dann mit Shéhérazade abzuheben. Das erste Lied im dreiteiligen Zyklus auf der Basis von Gedichten Tristan Klingsors erzählt von einer Reise in das Traumbuch vom Orient. Gemetzel inklusive: "Ich möchte Rosen sehen und Blut".

Dem folgte Claude Debussys weder in der Harmonielehre noch in der Realität so richtig fix verankerte La cathédrale engloutie, die Say mit betörender Klangfülle zum Schweben brachte. Damit schien er davon und vom Träumen aber genug zu haben und setzte mit Minstrels, ebenfalls aus Debussys Préludes Livre 1, einen launig-jazzigen Kontrast.

In diesem Teil des Konzertes stand, ohne dass er sich bewusst vordrängte, der Pianist im Zentrum. Crebassa ließ erst über den tänzelnden ostinaten Klavierfiguren des Liedes Danseuse aus Mirages op. 113 von Gabriel Fauré mit ruhevoller Präsenz und souverän fokussiertem, strahlendem Mezzo so richtig aufhorchen. Damit aber hatte sie ihr Publikum gepackt.

Mit drei Liedern von Claude Debussy, den Trois Mélodies de Verlaine, zogen Say und Crebassa die Stimmung des ersten Teils hinüber in den zweiten. Auch die orientalischen Exotikklischees schienen noch einmal herbeizitiert, aber nur, um ironisch gebrochen zu werden: mit den Trois Gnossiennes, drei Klavierstücken von Erik Satie, denen Say gar nicht gnostisch-mystisch, sondern mit virtuoser Brillanz und stupendem Klangsinn begegnete.

Mit Henri Duparcs großem Lied Au pays où se fait la guerre dunkelte sich die Stimmung dramatisch ein. Dieser große Klagegesang einer Frau, die auf ihren in den Krieg eingerückten Mann wartet, führte – über Zeiten und Kulturen hinweg – direkt in die beängstigend aktuelle politische Situation seiner Heimat, von der Say mit seinen Kompositionen Gezi Park dann dramatisch berichtet.

Zuerst spielte er Gezi Park 2. Sonate für Klavier op. 52, eine so opulente wie bewegende Anklage, virtuos. Danach erklang Gezi Park 3. Ballade für Mezzosopran in der Fassung für Mezzosopran und Klavier. Die Singstimme hat hier keinen Text, sondern – wie im ersten Stück des klug gebauten Abends – eine große Vokalise. Fazil Say spielt mit den Harmonien der Musik seiner Heimat, ohne je folkloristisch zu werden.

Die Zugabe Summertime war (weil das unterschwellige Jazzmotiv aufgreifend) ebenso genial gewählt wie erlösend. Crebassa und Say jazzelnd: ein Erlebnis. (Heidemarie Klabacher, 9.8.2017)