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Der Winter ist heiße Wahlkampfzeit in Argentinien: Cristina Kirchner genießt Popularitätswerte wie zu ihren besten Zeiten als Staatspräsidentin. Nun will sie für die Region Buenos Aires Senatorin werden.

Foto: Reuters / Marcos Brindicci

Buenos Aires / Wien – "Nein. Es interessiert mich nicht", antwortete Argentiniens Ex-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner noch vor drei Monaten auf die Frage, ob sie sich um einen Senatssitz für die Hauptstadtregion Buenos Aires bewerben wolle. Doch schon im Juni änderte sie ihre Meinung und tritt nun diesen Sonntag bei den Parlamentsvorwahlen an – die endgültige Mandatsverteilung erfolgt dann beim Urnengang am 22. Oktober.

Was Unterstützer der ehemaligen Staatschefin hoffnungsvoll als ersten Schritt Richtung Präsidentschaftswahlen 2019 sehen, ist für Gegner der peronistischen Politikerin taktisches Kalkül: Gegen Kirchner laufen aktuell drei Ermittlungsverfahren, ein Sitz im Senat würde ihr Immunität vor Strafverfolgung garantieren.

Im Konflikt mit der Justiz

Dieses Glück hat einer von Kirchners Vorgängern, Carlos Menem (1989- 1999), nicht: Der mittlerweile 86-jährige Ex-Präsident scheiterte mit seiner Kandidatur für einen Senatsposten, da er 2013 wegen illegaler Waffenexporte an Kroatien und Ecuador verurteilt wurde und für 14 Jahre sein passives Wahlrecht verlor.

Nicht zum ersten Mal steht Kirchner im Konflikt mit der Justiz: 2015 wurde eine Klage fallengelassen, in der ihr vorgeworfen wurde, eine mutmaßliche Verwicklung des Iran in einen Anschlag auf ein jüdisches Gemeindezentrum vertuscht zu haben.

Aussage vor Gericht

Seit Dezember 2016 wird wegen Korruption gegen sie ermittelt, und im März 2017 musste sie sich wegen Wechselkursspekulationen und Geldwäsche vor Gericht verantworten. Offenbar in diesem Zusammenhang wurde Mitte Juli auch ihr Finanzkonsulent Victor Manzanares festgenommen. Trotz anhaltender Korruptionsvorwürfe lässt Kirchner sich nicht aufhalten.

Bei Veranstaltungen ruft sie gerne die Jahre des "Kirchnerismus" in Erinnerung: Über ein Jahrzehnt herrschte der Name Kirchner im Präsidentenpalast, zuerst unter ihrem 2010 verstorbenen Ehemann Néstor Kirchner, der von 2003 bis 2007 Präsident Argentiniens war, dann unter Cristina Kirchnerselber, die das Land anschließend acht Jahre lang regierte.

Erfolgsgeschichte

Naheliegend, dass sie gerne das Scheinwerferlicht auf die Leistungen der beiden lenkt: Als ihr Mann Präsident wurde, war das Land schwer verschuldet, mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebte unter der Armutsgrenze. Doch er schaffte es, die Staatsschulden bei Neuverhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) 2005 deutlich zu reduzieren, eben- so die Arbeitslosenquote. Unter Néstor Kirchner wurde auch die Aufarbeitung der Verbrechen der Militärdiktatur (1976-1983) intensiviert.

2007 wurde schließlich Cristina Kirchner selbst Präsidentin. Nach einem Konflikt mit der Agrarlobby 2008 in der Wählergunst unter Druck geraten, erhöhte sie ihre Beliebtheit wieder durch die Verstaatlichung von öffentlichem Gut, etwa von Wasser. 2009 wurde eine finanzielle Hilfe für arbeitslose Eltern per Gesetz eingeführt, 2010 folgte die Ehe für alle. Ende 2012, ein Jahr nach ihrer Wiederwahl, protestierten Hunderttausende gegen die neuerlich steigende Arbeitslosigkeit, Armut und Kriminalität, bei den Parlamentszwischenwahlen 2013 erlitt ihre Partei Frente para la Victoria eine Niederlage. 2015, zu Ende ihrer zweiten Amtszeit, war das Vertrauen in Kirchner auf einem Tief – nicht zuletzt wegen immer öfter geäußerter Korruptionsvorwürfe.

Nachfolger mit Problemen

Ob Kirchners politische Bilanz ausreichen wird, ihr 2019 zu einer weiteren Präsidentschaftskandidatur zu verhelfen, ist fraglich. Für sie spricht, dass auch unter ihrem liberalkonservativen Nachfolger Mauricio Macri, der im Ausland durchaus hohes Ansehen genießt, nicht alles glattläuft. Im April 2017 mündete ein Gewerkschaftsstreik in Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten. Außerdem erreichte die Inflation nach vergleichsweise stabilen Jahren wieder rekordhohe Werte.

Ihren Senatssitz hat Kirchner laut dem Meinungsforschungsinstitut Dicen eigentlich schon gewonnen: In dessen Umfrage, die am vergangenen Wochenende veröffentlicht wurde, kam sie auf beinahe 40 Prozent der Stimmen. Am nächsten kam ihr der ehemalige Bildungs- und Sportminister Esteban Bullrich mit 26 Prozent. Eine wirkliche Bedrohung für den Einzug Kirchners in den Senat stellt Experten zufolge keiner ihrer Kontrahenten dar. (Carla Márquez, 12.8.2017)