Wien – Bereits zum fünften Mal in Folge fährt am Samstag die Wiener Liliputbahn durch die Nacht. Wie man die Praterbahn beschreiben soll, kann nicht einmal ihr Chef ganz genau sagen. Fahrgestell, Transportmittel oder Nostalgiebetrieb? Klar ist jedenfalls, dass die seit 1928 ihre Runden ziehende Miniaturbahn diejenige Attraktion im Wurstelprater ist, mit der alle fahren können – egal, ob Baby, Pensionist, Mama, Papa oder Fußballfan auf dem Weg vom Schweizerhaus zum Länderspiel – oder retour. "Es ist wie eine Hochschaubahn, aber ohne das Adrenalin", sagt Geschäftsführer Alexander Ruthner: "Es sind 20 Minuten Kurzurlaub, man kommt weg vom Trubel des Alltags."

fischer

Vier Stationen und ebenso viele Kilometer legt die Liliputbahn in 20 Minuten heute zurück. Ihren Ausgangspunkt hat die Fahrt am Prater Hauptbahnhof, gleich hinter dem Riesenrad. Wenn der Zug abfährt, führt er seine Passagiere entlang der Hauptallee vorbei am Wurstelprater durch den Auwald bis zum Stadion. Von dort geht die Fahrt nach einer großen Schleife entlang der gleichen Strecke wieder zurück. Ihre Spurweite beträgt 381 Millimeter –oder 15 Zoll.

Drei Loks überstehen Weltkrieg

1928 wurde in Wien die Liliputbahn nach englischem Vorbild gebaut. Zum "Sängerbundtreffen" anlässlich des 100. Todestages des Komponisten Franz Schubert war die Bahn mit ihren zwei Dampflokomotiven erstmals im Einsatz. Die Strecke führte zunächst nur vom Riesenrad bis zur Rotunde. Erst im Jahr 1933 wurde sie bis zum Stadion verlängert und erreichte damit ihre heutige Länge. Die dritte Lok kam noch während des Zweiten Weltkrieges hinzu. "Sie hat den Weltkrieg überlebt, allerdings mit schweren Schäden", erzählt Ruthner: "Von uns sind die Dampfloks und teilweise die Gleisanlagen übrig geblieben." Die hölzernen Waggons und das Heizhaus sind in der Remise abgebrannt.

Die Da2 macht sich bereit für die Wochenendausfahrten.

1957 befuhr die erste Diesel-Lokomotive die Liliputstrecke, nur wenige Jahre später wurde die zuletzt angeschaffte Dampflok 3 zur Diesellok D2 umgebaut, noch heute zieht die rote Lok als eine von insgesamt vier Dieselfahrzeugen die Waggons über die Strecke.

Dampf nur am Wochenende

Während unter der Woche die vier Diesellokomotiven unterwegs sind, ziehen am Wochenende, an Feiertagen und zu besonderen Anlässen, wie der "Langen Nacht der Liliputbahn", auch zwei Dampflokomotiven den Zug. "Wir versuchen sie so lange wie möglich betriebsbereit zu halten", sagt Ruthner: "Sie sind unser Juwel, aber sie sind nicht so ökologisch wie die Diesellok heute ist oder künftig eine Elektrolokomotive sein wird."

Die älteste Lok, die Da1, wird derzeit generalüberholt.

Für die Dampfloks werde spezielle Kohle aus Wales verwendet, die geruchlos und raucharm brennt, erklärt Roland Durstmüller von der Betriebsleitung. Rund sechs Stunden dauert die Vorbereitung, bis die Dampfloks genügend Druck erzeugen und losfahren können. Derzeit ist von ihnen nur die Da2, die schwarze Lok im Einsatz. Die Da1 wird generalüberholt. Kaputte Teile, die ersetzt werden müssen, werden in der Werkstatt der Liliputbahn hinter dem Riesenrad zum Teil selbst angefertigt. Knapp in Jahr dauert die Wartung der Lok inklusive neuem Anstrich. Für den 250. Geburtstags des Wiener Praters bekam die Da1 eine Jubiläumslackierung, und trug ein Jahr den Namen Leopoldstadt.

Michael geht in Pension

Einen Namen hat aktuell nur noch die rosarote Diesellok D3 mit Manner-Schriftzug. Michael geht allerdings im Jahr 2018 – wie wohl auch ihr Namensgeber Bürgermeister Michael Häupl – in Pension. Zum 90. Jubiläum der Liliputbahn soll eine umweltfreundlichere Elektrolok die Dieselfahrzeuge ersetzen. Diese sollen dann nur noch wie die Dampfloks am Wochenende und zu speziellen Anlässen als Nostalgiefahrten im Einsatz sein.

Alexander Ruthner und D3 Lok "Michael", benannt nach Wiens Bürgermeister.
Foto: Christian Fischer

Die rosa Lok habe allerdings "keinen historischen Wert", wie Ruthner erzählt, da sie in den 1960er-Jahren billig von einer Firma ohne Erfahrung im Eisenbahnbau gebaut wurde. Die Lok mit dem Motor eines Traktors wird daher künftig nur noch als Werbung auf den Eingang der Liliputbahn aufmerksam machen. (Oona Kroisleitner, Christian Fischer, 12.8.20179