Die Rolle der Schützen in der NS-Zeit sorgt für Diskussionen. Landeskommandant Tiefenthaler wehrt sich gegen Vorwürfe, man würde die historische Aufarbeitung verschleppen, und räumt Nähe zum Regime ein.

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Innsbruck – Mit ihren bunten Uniformen und alten Waffen wirken die Schützengilden wie ein Relikt längst vergangener Zeiten. Doch in Tirol wird diese auf das Landlibell von 1511 zurückgehende Tradition bis heute sehr ernst genommen. Mehr als 17.000 Mitglieder sind in den insgesamt 231 Schützenvereinen tätig. Kein hochrangiger Politiker kommt um den landesüblichen Empfang mitsamt Ehrensalve umhin. Doch bis heute dominiert ein verklärtes Geschichtsbild das Schützenwesen, vor allem was die Zeit des Nationalsozialismus angeht.

Angst vorm rechten Eck

Im Jahr 2013 wurde in Tirol die Diskussion über die Rolle der Traditionsverbände – neben Schützen sind das Trachtenvereine und Musikkapellen – während der NS-Zeit angestoßen. Keine einfache Aufgabe, wie das Beispiel der Trachtler zeigte, die sich lange weigerten, mit den Zeithistorikern der Universität Innsbruck zusammenzuarbeiten, da man fürchtete, ins rechte Eck gestellt zu werden.

Doch auch in Richtung Schützen wird nun Kritik laut, dass diese die Aufarbeitung verschleppen und behindern würden. Der Ötztaler Blogger Markus Wilhelm beschuldigt den Landeskommandanten der Tiroler Schützen, Fritz Tiefenthaler, die unangenehmen Fragen bezüglich der Vergangenheit aussitzen zu wollen. Er unterstreicht diese Vorwürfe mit aktuellen Zitaten aus Schützenchroniken, die bis heute darauf beharren, dass das Schützenwesen im Nationalsozialismus verboten gewesen sei und sie somit selbst Opfer des Regimes gewesen seien.

Diese Darstellung stimmt nicht, wie auch Tiefenthaler im Gespräch mit dem STANDARD einräumt: "Die Nationalsozialisten haben die Schützen nicht verboten, sondern sich einverleibt." Sie wurden ganz einfach in die neu gegründeten Standschützen übernommen, als deren Oberhaupt der Gauleiter fungierte.

Ergebnisse im September

Den Vorwurf, die Aufarbeitung der eigenen Geschichte nicht ernst zu nehmen, weist Tiefenthaler aber zurück: "Wir haben mit dem Historiker Michael Forcher einen externen Experten, mit dem wir eng zusammenarbeiten. Zudem haben wir selbst einen internen Reflexionsprozess durchgeführt." Am 9. September werden die Ergebnisse desselben in Form von elf neuen Leitlinien bei der außerordentlichen Bundesversammlung der Schützen in Absam präsentiert. "Ich kann und will dem nicht vorgreifen", erklärt Tiefenthaler, "aber der Umgang mit der NS-Zeit wird Thema sein."

Der Historiker Forcher wird Anfang 2018 seine Forschungsergebnisse in schriftlicher Form präsentieren. Voraussichtlich in einem Sammelband, in dem auch die Ergebnisse bezüglich Trachtenwesen und Musikkapellen publiziert werden. Sensationelles, abseits der Tatsache, dass die Schützen dem NS-Regime oft willfährig dienten, sei aber nicht zu erwarten. Dass diese Arbeit so lange dauerte, liegt an der Quellenlage, sagt Forcher: "Es ist nicht viel Material vorhanden." Man habe ihn seitens der Schützen zwar unterstützt, allerdings – das räumt auch Tiefenthaler ein – seien wohl einige Dokumente nach dem Krieg bewusst vernichtet worden.

Dass die Schützen politisch instrumentalisiert wurden und ein Gutteil von ihnen das NS-Regime gern unterstützt hat, streitet der Landeskommandant nicht ab. Doch bis dieses Denken auch in untere Ränge und in die einzelnen Kompanien durchsickert, werde es noch dauern. Tiefenthaler hofft, dass die neuen Leitmotive diesen Prozess beschleunigen. (Steffen Arora, 14.8.2017)