Bei der "Unite The Right Free Speech Rally" in Charlottesville am 12. August schwenkten Demonstranten auch offen Hakenkreuz-Fahnen.

Foto: imago/ZUMA Press/Emily Molli

ORF-Korrespondent Robert Uitz-Dallinger aus Washington in der ZIB 1: "Mich kann nichts mehr überraschen, wenn es um Donald Trump geht."

ORF

Bild nicht mehr verfügbar.

James Alex Fields (zweiter von links) bei der Demonstration

Foto: AP/Alan Goffinski

Charlottesville/Washington – Nach der Kritik an US-Präsident Donald Trump, die rechtsextreme Gewalt in Charlottesville nicht klar genug verurteilt zu haben, bemüht sich das Weiße Haus um eine Klarstellung. Trumps Verurteilung "aller Formen der Gewalt, des Fanatismus und des Hasses" gelte "natürlich auch für Neonazis, den Ku-Klux-Klan und alle extremistischen Gruppen", hieß es am Sonntag in Washington.

Zahlreiche Republikaner und Demokraten hatten den US-Präsidenten zuvor kritisiert, klare Schuldzuweisungen nach der Gewalt bei dem Aufmarsch der Rechtsextremisten im Bundesstaat Virginia vermieden zu haben. Stattdessen hatte Trump die "Gewalt auf vielen Seiten" verurteilt und damit die Rechtsextremen auf eine Stufe mit den antirassistischen Gegendemonstranten gestellt.

Trumps Vorgänger kritisieren Gewalt der Rechtsextremen

Politische Gegner werfen ihm seit längerem vor, durch seine scharfe Rhetorik den rechten Rand in den USA zu stärken und zum Handeln zu ermutigen. Während Präsident Trump lange Zeit schwieg, meldeten sich einige Vorgänger zu Wort, um die Gewaltausbrüche durch Rechtsextreme in Charlottesville zu kritisieren.

Sogar Justizminister Jeff Sessions, den selbst Rassismus-Vorwürfe begleiten, sprach von "rassistischem Fanatismus" und "Verrat" an "unseren zentralen Werten". Er sagte außerdem, der Angriff könnte als "Terrorismus" eingestuft werden. Am Montag sagte er dem Sender ABC, die Attacke "passt zur Definition von einheimischem Terrorismus nach unserem Gesetz".

Dass Trump jegliche Eindeutigkeit vermissen ließ, hielten ihm zahlreiche prominente Republikaner vor. "Mein Bruder gab sein Leben nicht im Kampf gegen Hitler, damit Nazi-Ideen hier zu Hause unangefochten stehen können", hielt Senator Orrin Hatch fest.

Sein Amtskollege Marco Rubio erklärte, es sei "sehr wichtig, dass der Präsident die Ereignisse in Charlottesville als das beschreibt, was sie sind: als Terroranschlag weißer Rassisten". Senator Cory Gardner twitterte: "Wir müssen das Böse beim Namen nennen. Das war inländischer Terrorismus."

Bild nicht mehr verfügbar.

Die Rechtsanwaltsangestellte Heather Heyer aus Virginia wurde von dem Autoattentäter getötet.
Foto: AP

Nach Angaben der Polizei starb eine 32-jährige Frau, als ein Fahrzeug in Charlottesville im US-Staat Virginia vermutlich absichtlich in eine Gruppe vom Gegendemonstranten raste und an einer Kreuzung zwei Autos rammte. Der Fahrer, der 20-jährige James Alex Fields aus Ohio, wurde nach Polizeiangaben unter Totschlagsverdacht festgenommen.

Amerikanische "White Power"-Gruppierungen

Die Ereignisse von Charlottesville werfen ein Schlaglicht auf die rechte Szene in den USA. Von der Meinungsfreiheit geschützt, kann sie offen operieren. Wohl nie zuvor waren Gruppierungen der extremen Rechten in den USA prominenter als in der Ära Donald Trumps. Die jüngsten Zusammenstöße offenbarten am Wochenende ihren Fanatismus, ihre Militanz und ihren hohen Organisationsgrad. Amerikanische "White Power"-Gruppierungen durchdringen und berühren sich, bilden aber keinen insgesamt geschlossenen Block einer "Weißen Macht". Die rechte Szene ist zerfasert, ideologiegetränkt, unübersichtlich und gefährlich.

Weiße Suprematisten sind überzeugt, dass es so etwas wie eine weiße Rasse gibt. Sie verwenden diesen Begriff synonym für Menschengruppen bestimmter Hautfarbe, Abstammung oder Zugehörigkeit. Suprematisten wie die "Aryan Nations" glauben fanatisch an die biologische Überlegenheit von Menschen europäischen Ursprungs. In multiethnischen Ländern wie den USA sind sie von einer natürlichen Hierarchie überzeugt, an deren Spitze die Weißen stehen.

In Charlottesville waren auch Suprematisten der Gruppierung "Vanguard America" (Avantgarde, Vorreiter) vertreten, sie trugen schwarze Schilde mit weißem Kreuz.

Amerikanische Nationalisten denken ähnlich und stehen den Suprematisten nahe, unterscheiden sich aber in einer wichtigen ideologischen Komponente: Sie lehnen die Idee einer multiethnischen Gesellschaft ab, ihr Ziel ist ein rein weißer Staat.

Mit Hakenkreuzfahnen durch die Straßen

Gerade in Deutschland oder Österreich sind Szenen irritierend, in denen Neonazis in den USA Hakenkreuzfahnen offen durch die Straßen tragen, oder dass "Sieg Heil"-Rufe und braune Nazi-Uniformen nicht verboten sind. Gedeckt wird das von der in der US-Verfassung festgeschriebenen Meinungsfreiheit, sie ist den Amerikanern ein besonders hohes Gut.

Amerikanische Neonazis haben Ideologie und Symbolik der Nationalsozialisten übernommen. NS-Diktator Adolf Hitler ist ihnen Visionär, Vorbild und Held. Sie hetzen gegen Juden, Nichtweiße, Homosexuelle und Behinderte. Ende der 60er-Jahre wurde eine amerikanische Nazi-Partei gegründet, sie hatte aber keinen Erfolg.

"Heute agieren Hasswebseiten wie 'Stormfront' als ein dezentralisierter Hub für neonazistische Ideen und Debatten", schreibt "The Atlantic". Das National Socialist Movement (NSM) ist eine der größten Neonazivereinigungen der USA.

Ku-Klux-Klan

In Charlottesville marodierten auch Anhänger des Ku-Klux-Klans (KKK). In einer Art dritten Auflage entstand der KKK in den 60er-Jahren aufs Neue als Reaktion auf die Bürgerrechtsbewegung der Afroamerikaner. Auf das Konto des Klans gehen zahlreiche Gräueltaten und Morde. Ein bekannter Führer war David Duke. Im Wahlkampf 2016 widerstrebte es Donald Trump, sich klar von dem rechtsradikalen Hetzer zu distanzieren. Der KKK wird auf 5.000 bis 8.000 Mitglieder geschätzt.

Alt-Right: "Die Alternative Rechte"

Den Begriff Alt-Right prägte Richard Spencer 2008. Er verbrämt mit der sogenannten "Alternativen Rechten" das neonazistische, rechtsradikale und rassistische Gedankengut der Bewegung – so redete Spencer einer "friedlichen ethnischen Säuberung" der USA das Wort. Die Alt-Right ist eng verzahnt mit Suprematisten und Nationalisten, agiert aber oft verdeckter. Der Autor und Aktivist Milo Yiannopoulos ist eine prominente Figur.

Die Bürgerrechtsorganisation Southern Poverty Law Center (SPLC) verweist auf zahlreiche junge und gut etablierte Mitglieder der Bewegung. Sie versuche erfolgreich, offen im rechtskonservativen Spektrum zu fischen.

Die Alt-Right-Szene ist in sich zerfasert, allerdings eint sie ihre Frontstellung gegenüber Muslimen, Einwanderung, Feminismus, Gleichstellung und pluralen Gesellschaften. Sehr viele Anhänger sind Antisemiten. Sie sehen sich auf einem Feldzug gegen Linke, einige auch gegen die liberale Demokratie als solche. Begeistert unterstützten sie die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten.

"Sprachrohr der Alt-Right" Bannon heute Chefstratege Trumps

Im "New Yorker" führte Evan Osnos den Beweis, wie offen und wie früh Donald Trump Rechte in seine nationale Koalition einreihte. Als Chef von "Breitbart News" bezeichnete Stephen Bannon seine Publikation als "Sprachrohr der Alt-Right". Heute wirkt Bannon als politischer Chefstratege im Weißen Haus.

Den "alten Süden" tragen die Neokonföderierten im fanatisierten Herzen, unter der Flagge der Konföderierten wollen sie zurück zu Geist und Leben der Südstaaten vor dem amerikanischen Bürgerkrieg (1861–1865). Sie sehen sich als Opfer des Nordens, der die Sklaverei abschaffte. Sie sind antidemokratisch, schwulenfeindlich und rassistisch. Ihr historischer Bezug unterscheidet sie ideologisch von anderen Rechtsextremen, wenn es auch Schnittmengen mit Suprematisten gibt.

Verdächtigt, das Auto in die Menschenmenge gesteuert zu haben, wird James Fields, 20 Jahre alt. Die Seite "Buzzfeed" berichtete danach zuerst von Fields Facebook-Seite. Dort veröffentlichte er früher Propagandabilder, die einen weiten Bogen durch die amerikanische Rechte schlagen und sich wie ein Kondensat ausmachen. So zeigte Field Bilder der Alt-Right und ihrer Prominenter, von Neonazis in Uniform, auch von Hitler als Kind. Daneben zeigt er eine Zeichnung von Donald Trump. Er sitzt auf einem Thron, und er trägt eine goldene Krone. (dpa, red, 14.8.2017)