Plácido Domingo begeistert im Salzburger Festspielhaus.


Foto: SF / Marco Borrelli

Salzburg – Plácido Domingo ist der eine der beiden Foscaris: Vater Francesco, der greise machtlose Doge von Venedig. Joseph Calleja ist der andere: Jacopo, sein unschuldig in Verbannung und Tod geschickter Sohn.

Der Jubel nach der konzertanten Aufführung von Giuseppe Verdis früher Oper I due Foscari im Großen Festspielhaus war schier grenzenlos und galt ganz besonders Plácido Domingo.

Sein altes Herz schlägt ihm in der Brust, "wie in jungen Jahren", singt der weißhaarige Doge. Dass Domingo singt, "wie in jungen Jahren", kann man nur deswegen nicht sagen, weil er das Stimmfach gewechselt hat.

Die Partie des Francesco Foscari jedenfalls singt ihm so leicht kein junger Bariton nach – vom Charisma ganz zu schweigen: Domingo braucht eine Geste Richtung eigenes Herz nur anzudeuten und erschüttert sein Auditorium. Zwei verfeindete Familien in Venedig – sie heißen nicht Montague und Capulet, sondern eben Foscari und Loredano – und keine Hoffnung auf Versöhnung: I due Foscari aus dem Jahr 1844 ist eine Oper für zwei Sänger, eine Sängerin und ein paar Stichwortgeber.

Zu diesen gehört der Schurke Jacopo: Verdi hat der Basspartie keine Arie, kaum ein richtiges Rezitativ gegönnt. Schade. Denn Roberto Tagliavini hat dem Bösewicht in seinen wenigen Einwürfen klangvoll bedrohliche Stimme verliehen.

Rache und Verzweiflung

Tenor Joseph Calleja brilliert als Jacopo Foscari: souverän und geschmeidig in der reich timbrierten Mittellage, wenn auch nicht ganz locker und fokussiert auf den in die hohen Lagen führenden Linien. Die Sopranistin Guanqun Yu gestaltet die zwischen Rachegöttin und verzweifelnder Ehefrau changierende Partie der Gemahlin und Schwiegertochter Lucrezia: eine zentrale Figur, die in allen Ensembles, sogar in den Streitereien im Senat, präsent ist. Anfängliche Schärfen entspannten sich in facettenreicher Charakterdarstellung.

Die wichtige Chorpartie – seien es die wegen des Lokalkolorits in die Oper eingebauten Gondolieri quasi aus der Ferne oder der Senat – singt der bestens disponierte Philharmonia Chor Wien.

Der Dirigent Michele Mariotti am Pult des Mozarteumorchesters weiß der frühen Verdi-Partitur in bester Kapellmeister-Manier unzählige Facetten abzugewinnen. Wunderschön etwa die vielen Soli der tiefen Streicher! Fast möchte man von einer Bratschen- und Cello-Oper sprechen.

Das Werk wirkt inhaltlich und formal nicht ganz ausgegoren: Seltsam etwa mutet eine Wahn- oder Albtraumszene des jungen Foscari an, in der plötzlich Schauerelemente der Romantik anklingen.

Das souveräne Ensemble und das differenziert gestaltende Orchester fügen alles zusammen in ein bewegendes Sittenbild. (Heidemarie Klabacher, 14.8.2017)