Wien – Touristenbusse überqueren bei ihren Stadtrundfahrten durchaus die Donau – allerdings kommen sie selten weiter als bis zur Uno-City. Der Franz-Jonas-Platz, wo sich in Wien-Floridsdorf Schnell-, Straßen- und U-bahnen kreuzen, steht dagegen seltener auf dem Besichtigungsprogramm von Gästen.

Eine mögliche Erklärung für diesen Umstand liefert Zeuge Mario T.: "Ich habe mein Auto eingeparkt und gehört, dass es hinter mir sehr laut geworden ist. Da habe ich mir nichts dabei gedacht, das ist eh Alltag dort." Das war es an diesem Abend des 4. Juni nicht: Eine Auseinandersetzung endete mit zwei Verletzten, Emre G. und Feyzullah K. (Namen geändert, Anm.) müssen sich deshalb vor Richter Daniel Rechenmacher verantworten.

Kopftuch heruntergezogen

Der Erstangeklagte, 15 Jahre alt, unbescholten und arbeitslos, bekennt sich schuldig. Er sei mit Freunden zusammen gewesen, als die Schwester von einem dieser Bekannten angerufen hat. "Sie hat gesagt, dass sie und andere Mädchen von zwei Typen begrapscht und ihnen das Kopftuch heruntergezogen wurde", erinnert er sich.

Die jungen Frauen kamen, die Gruppe beschloss, die Angreifer zur Rede zu stellen. "Wir sind nach Floridsdorf gefahren. Ich habe normal mit denen geredet, dann hat einer aus meiner Gruppe einem Faust gegeben", sagt der Angeklagte. "Dann wollte der zurückschlagen, und ich habe meine Freunde verteidigt."

"Das schafft aber kein sehr gutes Gesprächsklima, wenn man sofort einen Faustschlag erhält. Eine normale Gesprächseröffnung ist eher 'Hallo'", merkt der Richter an. "Ich habe mir gedacht, es wird ganz normal geredet", beteuert der Teenager nochmals.

Tschetschenen mischten sich ein

Er habe jedenfalls das erste Opfer von hinten gepackt und zu Boden geschmissen. Dem zweiten gab er einen Faustschlag. "Warum?", fragt Rechenmacher. "Ich hatte Angst, dass er mich schlägt." Plötzlich hätten sich zwei unbekannte Erwachsene eingemischt. "Ich glaube, das waren Tschetschenen. Denen hat ein Freund das mit dem Kopftuch erzählt." Geflüchtet seien alle, als Zeuge T., ein Security außer Dienst, aus dem Auto stieg und seine Pfefferspraypistole zückte.

"Und? Haben Sie das Gefühl, dass man etwas anders hätte machen können?", fragt Rechenmacher. "Ja." – "Was denn?" – "Wir waren zu viele gegen die zwei." – "Ich würde etwas früher ansetzen. Das soll jetzt den Angriff auf die Mädchen nicht bagatellisieren, aber der war vorbei, warum müssen Sie dann noch hinfahren und sich einmischen?"

Der 17-jährige Zweitangeklagte, ebenso unbescholten und arbeitslos, leugnet die Vorwürfe dagegen. Er habe sich nur mit einem Freund getroffen und sei zufällig auf die Gruppe gestoßen. "Es hat eine Schreierei gegeben, und dann hat jemand Faust gegeben", erinnert er sich. Er habe daraufhin nur einen in die Prügelei verwickelten Freund zurückgerissen und zwei andere getrennt.

Opfer erscheinen nicht

Die Verletzten, Alexander K. und Piotr F., haben offensichtlich kein gesteigertes Interesse, an der Wahrheitsfindung mitzuwirken – sie erscheinen nicht. Anders Zeuge T. und seine Mitfahrer. Der 24-Jährige hatte nicht den Eindruck, dass irgendwer in dem Tumult schlichten wollte. "Es waren sieben bis zehn Angreifer und zwei Opfer. Alle haben auf die beiden eingeschlagen, drei bis vier auch noch auf sie eingetreten, als sie schon am Boden gelegen sind. Das hat nicht mehr schön ausgeschaut."

Wegen der fehlenden Opfer muss Rechenmacher schließlich vertagen. (Michael Möseneder, 16.08.2017)