Einlochen wollen: Wenn es um gesunde Lebensjahre geht, haben zwei Stunden Bewegung pro Woche einen enormen, weil langfristigen Effekt.

Illustration: Francesco Cioccolella

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Im Projekt "Bewegt im Park" wird während der Sommermonate vom Burgenland bis Tirol kostenloses Bewegungsprogramm mit Profitrainern in Parks angeboten.

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Im Innsbrucker Rapoldipark wird zu heißen Rhythmen getanzt. Provenzalisch geht es jeden Donnerstag im Eisenstädter Schlosspark zu, man übt sich in Pétanque. Das bedächtige Spiel mit Kugeln fördert nicht nur die Konzentration, es lockert nach Büroschluss auch die Schultern. Action hingegen ist in Wien-Neubau angesagt, dort können sich nicht nur die Hipster jeden Montag im Parkour, einer Form des Hindernislaufs, versuchen.

Das sind nur drei Beispiele aus dem umfangreichen Programm "Bewegt im Park", das 2016 vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger in Kooperation mit Sportministerium, Sportverbänden, Ländern und Gemeinden gestartet wurde. Ganz im Sinne der "Empfehlungen für gesundheitswirksame Bewegung", die vom Gesundheitsministerium vor fünf Jahren festgeschrieben wurden. "Erwachsene sollten jede Gelegenheit nutzen, körperlich aktiv zu sein", so der Rat.

Während der Sommermonate wird vom Burgenland bis Tirol kostenloses Bewegungsprogramm mit Profitrainern in Parks angeboten. Alexander Biach, Vorsitzender im Hauptverband der Sozialversicherungsträger über die Zielsetzung: "Die Initiative bringt sportliche Bewegung direkt ins Lebensumfeld der Menschen und zeigt, wie einfach man Gesundheit in den Alltag integrieren kann."

Die Erfahrungen im ersten Sommer waren positiv. 14.000 Personen nahmen am öffentlichen Gruppensport teil. 64 Prozent waren Frauen, am stärksten vertreten war die Altersgruppe der 26- bis 40-Jährigen. Diesen Sommer wurde das Angebot auf 220 Veranstaltungen ausgeweitet.

Menschen in Bewegung bringen

Jede Bewegung ist besser als keine Bewegung, weil der Wechsel vom Zustand "körperlich inaktiv" zum Zustand "geringfügig körperlich aktiv" ein wichtiger erster Schritt sei, heißt es in der ministeriellen Empfehlung. In Zahlen: Zwei Stunden Bewegung pro Woche in mittlerer Intensität oder 75 Minuten intensive Bewegung, verteilt auf die ganze Woche zu Einheiten mit mindestens zehn Minuten, sollte man sich gönnen.

Wie viele Menschen sich daran halten, ist nicht bekannt. Vermutet wird, dass das Mindestmaß an Bewegung nicht erfüllt wird. Die Datenlage zur Bewegungsfreude von Herrn Österreicher und Frau Österreicherin ist ebenso mau wie jene zum Bewegungsdrang.

Zumindest die Datenlage könnte sich bald verbessern: Im Herbst sollen erste Daten aus dem neugeschaffenen österreichischen Bewegungsmonitoringsystem vorliegen. Sie sollen auch Aufschluss über Faktoren geben, die das Bewegungsverhalten beeinflussen.

Gesundheitskompetenz

"Wesentliche Voraussetzung für ein Leben in körperlicher und seelischer Gesundheit ist die individuelle Gesundheitskompetenz", sagt der Public-Health-Experte Armin Fidler. Ohne Gesundheitskompetenz des einzelnen Menschen sei Prävention nicht möglich. Nach Jahren bei der Weltgesundheitsorganisation und Weltbank lehrt Fidler nun am Innsbrucker Management Center im Studiengang European Master in Health Economics and Management.

Der Mediziner verweist auf internationale Studien, die Österreich kein gutes Zeugnis in Sachen Prävention ausstellen. Fidler: "Wir haben in Europa eines der niedrigsten Gesundheitskompetenz-Levels, sind gleichauf mit Bulgarien. Die höchste Kompetenz für die eigene Gesundheit haben die Menschen in den Niederlanden."

Gesundheitskompetenz wird als Fähigkeit definiert, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden, um im Alltag angemessene Entscheidungen zur Gesundheit treffen zu können. Fidler: "Gesundheitskompetenz bedeutet, dass Menschen auch wissen, wie ihr Körper funktioniert und wie sie zu seiner Gesunderhaltung beitragen können; falls sie chronische Krankheiten haben, wissen kompetente Menschen, wie sie mit diesen Krankheiten am besten umgehen können."

Gesundheitskompetenz zeige sich im Wissen um die Angebote unseres Gesundheitssystems. Versorgung, Förderungen, Präventionsangebote sind kompetenten Menschen bekannt. In Österreich sind die wirklich Gesundheitskompetenten eine Minderheit von zehn Prozent. Fidler: "Das ist eine Herausforderung. Denn Prävention kann ich nicht abgeben. Der Staat kann ein Angebot schaffen: Impfprogramme, Finanzierung von Vorsorgeuntersuchungen, Screenings, Informationen. Aber die Entscheidung zur Teilnahme muss jeder selbst treffen."

Verantwortungsvoller Umgang

Wie und ob sich jemand gesundheitsrelevante Informationen beschaffen, sie verstehen, bewerten, anwenden kann, hängt stark vom Bildungsstand und sozialer Stellung ab. In den Niederlanden, wo die Gesundheitskompetenz am höchsten und die Patientengruppen am besten organisiert sind, ist Gesundheit ein Bildungsthema, eine "nationale Allianz für Gesundheitskompetenz" wurde geschaffen.

Fidler: "Schon im Kindergarten sind Gesundheitsthemen präsent." Auch in der Erwachsenenbildung, vor allem auch in Sprachkursen für Zugewanderte, sind Gesundheit, Kinderbetreuung und Ernährung wesentliche Themen.

Der verantwortungsvolle Umgang mit der eigenen Gesundheit müsse ebenso selbstverständlich werden wie der schonende Umgang mit der Natur, fordert Fidler. "Den Umweltschutzgedanken, beispielsweise Recycling, hatten unsere Eltern noch nicht verinnerlicht, für unsere Kinder ist er selbstverständlich." Gesundheitskompetenz müsse möglichst früh vermittelt werden. Die wesentlichsten Themen sind für Fidler Ernährung, Bewegung, Sexualität und Drogen.

Land der Krankenhäuser

Österreich habe ein gutes Gesundheitssystem, aber ein schlechtes Präventionssystem, kritisiert der Gesundheitsökonom. Am anschaulichsten würde das durch die Daten über Krankenhausaufenthalte. Fidler: "Man wartet in Österreich so lange, bis der Körper so ruiniert ist, dass er hospitalisiert werden muss. Wir haben eine der höchsten, wenn nicht die höchste Hospitalisations- und Wiederhospitalisationsrate in Europa. Das ist teuer." Gesunde Ernährung und Sport kosten auch, räumt Fidler ein. Nur: "Da ist die Rendite gewaltig. Diese Investitionen lohnen sich, darüber muss man überhaupt nicht diskutieren."

Österreich ist ein Land der Krankenhäuser. Pro tausend Einwohner hat man hierzulande 60 Prozent mehr Spitalsbetten als der Durchschnitt aller OECD-Staaten, ergab eine OECD-Studie. Diese Betten sind auch bestens ausgelastet. 266 Spitalsentlassungen kommen laut Studie auf 1.000 Einwohner, 70 Prozent mehr als der OECD-Schnitt von 155 Entlassungen.

"Die Hälfte der Patienten eines durchschnittlichen österreichischen Krankenhauses könnte man auslagern. Die müssten nicht im Krankenhaus sein", ist Fidler überzeugt und spricht sich für die Verbesserung der ambulanten Versorgung und der flächendeckenden Ausstattung mit Polykliniken aus.

Hohe Lebenserwartung

Ein wesentlicher Teil der Krankenhauspatienten sind Menschen im letzten Lebensjahrzehnt. Die Lebenserwartung in Österreich sei zwar hoch, die Anzahl der gesunden Lebensjahre, ein wesentlich aussagekräftigerer Parameter, liege aber unter dem europäischen Durchschnitt, kritisiert Fidler. Während in Malta, Schweden und Norwegen 65-Jährige noch gut 15 gesunde Jahre vor sich haben, sind es in Österreich nur knappe acht Jahre. Mangelnde Gesundheitskompetenz und Prävention sind Gründe dafür.

"Wer auf seine Gesundheit achtet, wird belohnt", verspricht die SVA ihren Versicherten. Die Versicherungsanstalt für selbstständig Erwerbstätige will mit finanziellen Anreizen Gesundheitskompetenz schaffen. Wer am Programm "Selbstständig gesund" teilnimmt, spart sich die Hälfte des Selbstbehalts. Die Bedingung: Nach einer Vorsorgeuntersuchung werden mit dem Arzt, der Ärztin Gesundheitsziele zu fünf Parametern – Blutdruck, Gewicht, Tabak- und Alkoholkonsum und Bewegung – vereinbart.

Werden diese Ziele erreicht, reduziert sich der Selbstbehalt bei Behandlungen in den nächsten zwei bis drei Jahren um die Hälfte. 110.000 Menschen haben sich bereits erfolgreich beteiligt. Die Zahl der Vorsorgeuntersuchungen sei im ersten Jahr des Programms um 38 Prozent gestiegen, berichtet die SVA. (Jutta Berger, CURE, 25.8.2017)