Mit dem Atlas-Experiment am Cern wird nicht nur nach einer Physik jenseits des Standardmodells gefahndet, sondern auch nach direkten Nachweisen für jahrzehntealte Theorien.

Foto: Maximilien Brice/Atlas Collaboration

Genf – Physiker haben erstmals direkte Hinweise auf eine Streuung von Lichtteilchen (Photonen) gefunden. Am weltgrößten Teilchenbeschleuniger des Europäischen Kernforschungszentrums (Cern) in Genf wurden unter vier Milliarden Kollisionen von Blei-Ionen 13 solche Ereignisse erfasst. Berichtet hatten beteiligte Forscher davon bereits Anfang des Jahres, nun legen sie ihre Ergebnisse im Fachblatt "Nature Physics" vor.

Für die endgültige Feststellung, dass die Kollision definitiv beobachtet wurde, fehlen nach den hohen Standards der Physiker noch einige weitere Ereignisse, um ausschließen zu können, dass es sich nur um Untergrundschwankungen handelt. Die Beteiligten des Atlas-Experiments am Cern rechnen bei den nächsten Experimenten mit Blei-Ionen Ende 2018 damit, wie der stellvertretende Leiter des Experiments, Andreas Hoecker, am Montag zum STANDARD sagte. Wie lange deren Auswertung dauern wird, lasse sich noch nicht sagen.

Umfangreiche Messdaten von 2015

Die nun veröffentlichten Ergebnisse gelten aber jetzt schon als Meilenstein. Sie resultierten aus Experimenten im Jahr 2015 – es dauerte bis jetzt, die gewaltigen Datenmengen auszuwerten und zu verifizieren.

Das klassische Verständnis der 150 Jahre alten Maxwell-Gleichungen zur Erklärung von Elektromagnetismus war, dass Lichtstrahlen sich nicht gegenseitig beeinflussen – sie fliegen einfach durcheinander hindurch. Werner Heisenberg und Hans Euler berechneten allerdings vor mehr als 80 Jahren, dass Photonen unter bestimmten Bedingungen doch eine Wechselwirkung entwickeln können. Solche Wechselwirkungen waren seit den 1970er-Jahren indirekt gemessen worden.

Das Experiment mit den Blei-Ionen im Teilchenbeschleuniger hat eigentlich ein anderes Ziel: Physiker untersuchen damit ein Plasma, wie es am Beginn des Universums aus stark wechselwirkenden Teilchen vorhanden war, so Hoecker. Die Suche nach Hinweisen auf Lichtteilchen-Kollisionen lief eher nebenbei.

Hoffnung auf unbekannte Teilchen

Bei dem Experiment werden Blei-Ionen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit auf Kollisionskurs gebracht. Wenn sie dabei sehr knapp aneinander vorbeirasen, entsteht ein großes elektromagnetisches Feld, das quasi realen hochenergetischen Photonen entspricht. Bei sehr wenigen Ereignissen kommen sich dabei Blei-Ionen so nahe, dass sie zwar selbst nicht in der Kollision zerbrechen, aber zwei ihrer begleitenden Lichtteilchen aneinander gestreut werden und im Atlas-Detektor nachgewiesen werden können.

Der direkte Nachweis dieser Ereignisse sei deswegen so schwierig, weil sie so selten sind, sagte Hoecker. "Wenn man sich vorstellt, dass dabei Licht an sich selbst gestreut wird, ist die Schönheit dieses Experiments schon extrem." Dass sich daraus ein praktischer Nutzen etwa für den Quantencomputer ergibt, bezweifelt er. Aber: "Es könnte sein, dass nicht nur Elektronen und Positronen, sondern auch schwerere, noch unbekannte Teilchen produziert werden. Das nachzuweisen wäre eine revolutionäre neue Physik." (APA, red, 14.8.2017)