Groß und klein, nah und fern: Mit dem Alter verliert das Auge seine Nahanpassungsfähigkeit. Scharf sehen ist dann ohne geeignete Korrektur nicht mehr möglich – Kontaktlinsen sind eine Option.

Foto: iStock

Am Strand liegen, ein gutes Buch lesen und gelegentlich den Blick übers Meer schweifen lassen – das ist für viele die schönste Urlaubsfantasie. Doch bei den meisten Menschen ab 40 steht zwischen Traum und Wirklichkeit die Lesebrille – und damit das verhasste Spiel: Brille rauf, Brille runter, Sonnenbrille rauf und wieder runter, Lesebrille wieder rauf und so weiter. Wer die Kosten von bis zu 5800 Euro und den Gedanken an eine Operation im Auge nicht scheut, kann sich eine Kunstlinse einsetzen lassen und ist damit sämtliche gängige Augenprobleme los.

Es gibt aber auch eine andere Möglichkeit: Sich Kontaktlinsen anpassen zu lassen, ist deutlich weniger aufwendig und bringt ebenfalls gute Ergebnisse für besseres Sehen.

Alles Einstellungssache

Doch von vorn: Ab etwa dem 40. Lebensjahr verliert das Auge seine Flexibilität und kann sich auf die Nahdistanz nicht mehr so leicht einstellen: Diagnose Alterssichtigkeit – oder als Fachausdruck etwas angenehmer im Ohr: Presbyopie.

"Es hat sich in den letzten Jahren viel getan, weil die Babyboomer jetzt in das Alter kommen", sagt Gabriela Giarolli, Kontaktlinsenoptikerin am Wiener Stephansplatz. Die Kontaktlinsenfirmen forschen um die Wette, um Presbyopie mit verschiedenen Konzepten immer besser korrigieren zu können. "Eine sorgfältige Anpassung ist nötig, damit man das richtige System findet, das zu den Wünschen und Anforderungen passt", sagt auch Alois Buchsbaum, Leiter der Augenoptik der Barmherzigen Brüder in Linz.

Das gängigste Kontaktlinsenkonzept für ältere Augen ist die simultane Multifokalausführung, die Fern- und Nahstärke gleichzeitig abbildet. Der Nahteil in der Mitte lässt einen die Speisekarte wieder entziffern, die Korrektur für die Ferne liegt außenrum – aber noch immer auf der Fläche der Pupillenöffnung. "Die Idee ist, dass sich die Pupille verkleinert, wenn man in die Nähe schaut und dadurch den Fernteil der Linse weitgehend ausblendet", sagt Buchsbaum. Eine gewisse Eingewöhnungsphase sei nötig, damit das Sehzentrum die neuen Sehimpulse interpretieren kann, dann könne man aber auch zwischen Gleitsichtbrille und Kontaktlinsen wechseln. "Wir schauen mit dem Gehirn, das Auge liefert nur das Bild", sagt Giarolli.

Nah und fern

"Jeder Mensch hat ein Führungsauge, das ist das dominante Auge", sagt Buchsbaum. Das Führungsauge übernimmt die Fernsicht, das Begleitauge das Nahsehen. Nach diesem Prinzip funktioniert auch das älteste und gleichzeitig günstigste Konzept für die Presbyopie-Korrektur mit Kontaktlinsen: die Monovision. Dabei kommen herkömmliche Kontaktlinsen zum Einsatz: Beim Führungsauge wird nötigenfalls die Ferne korrigiert, das Begleitauge wird auf die Nähe eingestellt. Wie der Name schon sagt, verzichtet man bei Monovision auf das Stereosehen, das dreidimensionales Sehen möglich macht. Distanzen lassen sich weniger gut einschätzen. Beim Autofahren oder Radeln ist aber gerade das wichtig.

Gewisse Kompromisse für besseres Sehen muss man bei allen Modellen eingehen, am wenigsten noch bei formstabilen, also harten Kontaktlinsen, bei denen nach dem Prinzip Gleitsichtbrille der untere Bereich die Nähe korrigiert, der obere die Fernsicht. Durch eine Verdickung im unteren Bereich sitzt die Linse immer dort, wo sie sein soll.

Auch bei weichen Kontaktlinsen nach Maß hat der Kontaktlinsenoptiker wesentlich mehr Möglichkeiten als bei den Modellen von der Stange, den sogenannten Monats- oder Tageskontaktlinsen. Durch individuelle Anpassung bringen diese Linsen mehr Komfort und auch eine exaktere Korrektur, selbst bei starker Fehlsichtigkeit.

Maßgefertigte Linsen sind meist Halbjahreslinsen. Nach einem halben Jahr solle man aber ohnehin zur Kontrolle, empfiehlt Giarolli: "Wir erkennen Probleme sehr früh." Buchsbaum weist auf einen weiteren Vorteil regelmäßiger Kontrollen hin: "Es lohnt sich, immer wieder zu fragen, ob es etwas Neues gibt, anstatt immer das alte Modell zu kaufen." Jedes Jahr kommen einige neue Produkte auf den Markt.

Scharf sehen auf Lebenszeit

Eine langfristige Lösung ist eine Operation, bei der eine Kunstlinse ins Auge eingesetzt wird. Gleichzeitig mit der Alterssichtigkeit korrigiert die multifokale Linse der neuen Generation je nach Bedarf auch Weitsichtigkeit, Kurzsichtigkeit, Astigmatismus und grauen Star. "Es handelt sich um einen Eingriff auf Lebenszeit", sagt Ulrich Schönherr, Primar der Augenabteilung bei den Barmherzigen Brüdern in Linz, "die Brillenunabhängigkeit bleibt ein Leben lang erhalten."

So wie mit 20 Jahren sehe man trotz der Superlinse aber dennoch nicht, sagt Schönherr, "die Naturlinse stellt sich bei jungen Menschen viel flexibler auf Nähe und Ferne ein, als es eine Kunstlinse – oder eine Kontaktlinse – je könnte. Aber man kann der Natur bei optimaler Anpassung sehr nahe kommen." (Konstanze Wagenhofer, 19.8.2017)