Bild nicht mehr verfügbar.

Schiffe bei einem NATO-Manöver im Schwarzen Meer vor der Küste Rumäniens. Russland dürfte in seinem maritimen Vorhof gezielt GPS-Signale manipuliert haben, um beim Navigieren Verwirrung zu stiften.

Foto: APA/EPA/ROBERT GHEMENT

Austin/Wien – Egal, ob es um Smartphones, Navis oder Drohnen geht: Schon bald nachdem die Navigationstechnologie GPS (Global Positioning System) 2000 vom US-Militär zur zivilen Nutzung freigegeben wurde, war sie aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Das System, dessen Hauptkontrollstelle in Colorado betrieben wird, ist für jeden verfügbar, es ist kostenlos und an jedem Ort der Welt verfügbar.

Die Signale, die für uns mittlerweile wie eine Naturgesetzlichkeit erscheinen, sind freilich manipulationsanfälliger, als man denken würde. Das legen jedenfalls einige Zwischenfälle nahe, die sich in den vergangenen Monaten auf dem Schwarzen Meer ereigneten.

Flughafen statt Hafen

Am 22. Juni meldete ein Schiff vor der russischen Hafenstadt Noworossijsk der US-Marineverwaltung Probleme bei der Positionsbestimmung. Das Navigationsgerät zeigte dem Kapitän den 32 Kilometer landeinwärts liegenden Flughafen Gelendzhik an – definitiv die falsche Adresse. Der Kapitän war mit seinen Navigationsproblemen nicht allein: 20 weitere Schiffe waren von dem Vorfall betroffen. Die US-Marineverwaltung konnte sich darauf keinen Reim machen. Die Geräte waren in Ordnung. Doch womöglich steckt hinter den GPS-Aussetzern kein technisches Problem, sondern ein gezielter Manipulationsversuch.

Wie die Fachzeitschrift New Scientist in ihrer aktuellen Ausgabe berichtet, könnte Russland mit sogenanntem GPS-Spoofing versucht haben, Navigationssysteme systematisch zu sabotieren. Dabei handelt es sich um eine Methode, bei der gefälschte GPS-Signale ausgesendet werden, die den Empfänger über den genauen Standort täuschen. Das US-Militär macht sich diese Methode bei der Drohnenabwehr zunutze, indem die GPS-Antenne mit falschen Koordinaten gefüttert wird und so gezielt zum Absturz gebracht wird.

New Scientist

Todd E. Humphreys, Professor für Luft- und Raumfahrttechnik an der University of Austin in Texas, konnte bereits 2013 in einem Experiment zeigen, wie man durch Störung von GPS-Signalen eine 60 Meter lange Luxusyacht vom Kurs abbringt. Die rezenten Vorkommnisse im Schwarzen Meer hätten auffallende Ähnlichkeiten mit seiner eigenen kontrollierten Attacke gehabt, sagte Humphreys dem New Scientist.

Der Experte verweist aber auch auf ähnliche Vorfälle in Moskau. Im Vorjahr beklagten sich Moskowiter über Aussetzer auf ihren GPS-gestützten Mobile-Apps: Das Autosymbol hüpfte auf der Karte hin und her. Sobald man sich dem Kreml näherte, schien das Koordinatensystem zu spinnen. Das Machtzentrum wirkte wie ein Störsender, der die virtuelle Kompassnadel zum Zittern brachte.

Der Blogger und IT-Spezialist Grigory Bakunov versuchte, dem Rätsel auf den Grund zu gehen: Er fuhr mit einem Segway mit einem GPS- und Glonass-Gerät – der russischen GPS-Alternative – zu verschiedenen Uhrzeiten um den Kreml und maß dabei die Signalstärke der Satellitennavigationssysteme.

Ergebnis: Die Signalstärke war zu bestimmten Zeiten auffällig schwach. Bakunov vermutet, dass im Kreml ein Transmitter installiert ist, der Störsignale für GPS-basierte Geräte aussendet. Der Hintergrund: Satellitensignale sind sehr schwach – sie liegen bei ca. 20 Watt. Mit einem 1 Watt starken Transmitter kann man diese Signale bereits stören. Als der Blogger in einen solchen Spoofing-Kegel geriet, wich seine Position um 30 Kilometer vom eigentlichen Standort ab.

Attacken auf autonome Autos

Für Humphreys ist das ein Beleg dafür, dass die russische Regierung GPS-Spoofing als Mittel elektronischer Kriegsführung einsetzt. "GPS-Spoofing kann eine potente Waffe im elektronischen Waffenarsenal von Staaten sein", so der US-Experte auf Anfrage des Standard. Als potenzielle Ziele kämen auch autonome Fahrzeuge sowie der GPS-basierte Hochfrequenzhandel an Terminbörsen in Betracht. Das Tückische ist, dass ähnlich wie bei Cyberattacken die Manipulation von GPS-Daten nicht sichtbar ist – und man sie oft erst erkennt, wenn es zu spät ist. (Adrian Lobe, 18.8.2017)