"Tell me if you can / tell me if you can / tell me if you can / what makes a man a man", lautet der Refrain des gleichnamigen berührenden, überraschenden und offenbarenden Chansons von Marc Almond. Die im Song gestellte Frage, was einen Mann, was eine Frau ausmacht, was sie eint und was sie trennt, was ihn oder sie einzigartig macht, unterscheidet oder nicht, gehört zu den prinzipiellen Fragen der Menschheit.

Ein schrilles Kaleidoskop präsentiert Daniel Nicoletta entlang der Menschrechte: "Alle Menschen sind frei und gleich an Rechten und Würde geboren ..."
Monografie-Highlights von Nicoletta, fotografiert von Heidi Seywald

Pathetisch? Überzogen? In einer aufgeklärten Welt vielleicht. Wichtig aber ist es, in die jüngste Vergangenheit zu schauen – und auch in manche, in viele Regionen der Welt, in denen bis heute die Freiheit der sexuellen Orientierung nicht selbstverständlich ist.

Die Geschichte der Lesbian-Gay-Bisexual-Transgender-Bewegung in den USA präsentiert Daniel Nicoletta grandios in LGBT San Francisco. Der 1954 geborene Fotograf begleitete jahrelang Harvey Milk, der als Bürgerrechtsaktivist der erste Homosexuelle war, der ein politisches Amt bekleidete, und als Märtyrer für seine Überzeugung starb. Nicoletta blieb auch danach im Zentrum der Community.

Seine Fotos, beseelt von Lebensfreude, Sex, von Hedonismus, Flower-Power, Love, Peace & Happiness, von schriller Buntheit, Leidenschaft, Selbstbewusstsein und Selbstzweifel, von Kampfgeist, Esprit, von schwuler Exaltierheit, von Lokal- und Zeitkolorit, sind realiter Zeitgeschichte. Grandios kulminierend in Gay-Pride, Rechten und einer Gleichberechtigung, die man(n) sich erst erkämpfen musste. Gus Van Sant, Regisseur des Biopic über Harvey Milk, bezeichnet Nicolettas Fotos als künstlerische Schatzkiste, als Vermächtnis einer gesellschaftspolitischen Bewegung, verwahrt im kollektiven Gedächtnis. (Gregor Auenhammer, Album, 24.8.2017)