"Das macht jede Armee der Welt so": General Höfler verteidigt die Ausbildung von Grundwehrdienern auch bei Extremtemperaturen – weil eventuelle Einsätze "keine Rücksicht auf die Witterung nehmen".

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Neben der Untersuchungskommission zum Tod eines Grundwehrdieners durchforstet bis Ende Oktober nun eine Sonderkommission des Bundesheeres die Vielzahl an Ausbildungsvorschriften.

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Wien – Neben der Untersuchungskommission zum Tod eines Grundwehrdieners durchforstet nun eine Sonderkommission des Bundesheeres die Ausbildungserlässe. Günter Höfler, Chef der österreichischen Militärvertretung in Brüssel und Leiter dieses 15-köpfigen Gremiums, stellt im STANDARD-Interview aber bereits klar, dass auch künftig Märsche bei großer Hitze und Kälte unabdingbar seien.

"Das Bundesheer bildet die Grundwehrdiener für Inlandseinsätze aus, für Katastrophen, die Überwachung der Staatsgrenze oder den Schutz kritischer Infrastruktur – und diese Einsätze nehmen auf die Witterung keine Rücksicht", sagt Höfler. Deshalb müssten die Soldaten auch dahingehend geschult werden. "Das macht jede Armee der Welt so."

Zu Vorwürfen, dass unter den rund 2500 Ausbildnern auch welche sind, die Rekruten drangsalieren, hält der Generalleutnant fest: "Die Bad Boys, die die gute Arbeit der anderen in den Hintergrund drängen, muss man loswerden. Da habe ich null Toleranz." Denn die Soldaten müssten ihren Vorgesetzten vertrauen können – "und das erreicht man niemals durch Demütigung und Angstmacherei".

Bis Ende Oktober will Höflers Kommission konkrete Ergebnisse zu den Ausbildungsvorschriften vorlegen.

STANDARD: Anlässlich des Todes eines Rekruten im Zuge eines Hitzemarsches überprüft Ihre Sonderkommission die Ausbildungserlässe des Bundesheeres. Schon auf bedenkliche Vorschriften gestoßen?

Höfler: Zunächst möchte ich der Familie des Verstorbenen meine tiefe Anteilnahme und meinen Respekt aussprechen – auch weil sie ihren Sohn mit bosnischem Migrationshintergrund in Uniform begraben hat lassen. Ein solches Bekenntnis zum österreichischen Staat ist nicht selbstverständlich. Was die Kommission betrifft, stehen wir erst am Beginn, mit Ergebnissen rechne ich Ende Oktober.

STANDARD: Der amtierende Vorsitzende der parlamentarischen Bundesheerkommission, Michael Hammer (ÖVP), stellte bereits infrage, ob Märsche bei so hohen Temperaturen überhaupt notwendig seien – und Sie?

Höfler: Das Bundesheer bildet die Grundwehrdiener für Inlandseinsätze aus, etwa für Katastrophen, die Überwachung der Staatsgrenze in Assistenz oder den Schutz kritischer Infrastruktur – und diese Einsätze, denken Sie etwa auch an Hochwasser oder Lawinenabgänge, nehmen auf die Witterung keine Rücksicht. Das heißt, sie finden auch bei großer Kälte und Hitze statt. Deswegen müssen wir unsere Soldaten dahingehend schulen – und das macht auch jede Armee der Welt so.

STANDARD: Welche potenziellen Problemfelder haben Sie dann mit Ihren Experten ausgemacht, die näher beleuchtet werden sollen?

Höfler: Aus meiner Zeit als Kommandant der Streitkräfte weiß ich, dass wir sehr viele Regeln haben im Bundesheer – eventuell ist das für die Ausbildner unübersichtlich geworden. Deswegen sind in meiner Kommission auch Praktiker aus der Truppe, die mit den Vorschriften arbeiten müssen.

STANDARD: Seit dem Todesfall quellen die Internetforen über mit Abrechnungen mit Ausbildnern, die Grundwehrdiener drangsaliert haben. Waren Sie über das Ausmaß des Sturms der Empörung überrascht – oder kennt man das Problem mit sogenannten "Schindern"?

Höfler: Keine Frage, das Ausmaß hat mich persönlich überrascht, dass Leute, die zum Teil schon vor langer Zeit eingerückt waren, jetzt ihrem Ärger Luft machen. Eines ist aber unbestritten: Trotz Sparkurses hat sich in den letzten zehn, fünfzehn Jahren bei der Ausbildung des Kaderpersonals vieles verbessert – was sich auch in einem Rückgang der Beschwerden niederschlägt. Leider machen aber einige immer noch dumme Fehler, die dem Bundesheer großen Schaden zufügen. Wir haben rund 2500 Ausbildner – und die Bad Boys in der Truppe, die die gute Arbeit der anderen in den Hintergrund drängen, muss man loswerden. Das Bundesheer ist aber auch ein Spiegel der Gesellschaft – und schwarze Schafe gibt es wohl in jeder Firma.

STANDARD: In einer Firma kann man bei ständigen Untergriffen kündigen, die Rekruten sind aber in Gewahrsam des Staates.

Höfler: Genau deswegen stehen wir bei Verfehlungen auch in der Kritik der Öffentlichkeit, weil die Männer ihren Dienst am Staat ableisten. Und ja, auch wenn wir viel in Menschenführung investieren, gibt es unschöne Vorfälle. Das gehört abgestellt, da habe ich null Toleranz. Ich bin aber auch überzeugt davon, dass sich die Jugend von heute wehren kann – und auch soll. Denn grundsätzlich müssen die Soldaten ihren Vorgesetzten vertrauen können – und das erreicht man niemals durch Demütigung oder Angstmacherei.

STANDARD: Weil dieser Tage auch immer wieder der Vorwurf kommt, dass es kollektive Bestrafungen für Fehler einzelner Rekruten gebe – die sind doch längst verboten?

Höfler: Korrekt, gemäß Erlass ist das verboten – und wenn es dazu kommt, sind hier disziplinäre Maßnahmen durch die Kommandanten zu setzen. Verfehlungen können jedenfalls bis zur Entlassung führen, die interne und strafrechtliche Würdigung ist im Bundesheer jedenfalls sehr hoch – wer sich etwas zuschulden kommen lässt, hat die Konsequenzen zu tragen.

STANDARD: Wie bekommt man die rohe Sprache in den Griff – mit einem eigenen Erlass?

Höfler: Die Wahrung der Menschenwürde steht ja auch längst in den Vorschriften – und zwar an erster Stelle. Hier gilt es, für eine konsequente Dienstaufsicht zu sorgen. Wenn man sieht, hoppla, wie redet der mit den Rekruten – dann gehört das sofort abgestellt.

STANDARD: Sie sind in Brüssel mit den Gegebenheiten in anderen Armeen vertraut: Hinken wir dem internationalen Stand hinterher?

Höfler: Nein. Es gibt zwar Armeen mit viel umfangreicherem Gerät, aber gerade die Ausbildung unserer Soldaten genießt auch bei Organisationen wie der EU, den Vereinten Nationen, der OSZE und der Nato hohes Ansehen. Oft heißt es da bei internationalen Einsätzen: "You have great soldiers!" (Nina Weißensteiner, 21.8.2017)