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Kämpfer gegen das Vergessen: Doğan Akhanlı.

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Mit seinem Buch "Die Richter des jüngsten Gerichts" (1998/99) hatte Doğan Akhanlı an ein empfindliches Tabu gerührt: Als erster türkischer Autor hatte er es gewagt, den Genozid an den Armeniern 1915/16 als solchen zu thematisieren. In teilweise drastischen Bildern nähert sich der Roman Einzelschicksalen von Opfern und Überlebenden und spricht sich gegen die – bis heute – von der türkischen Regierung verordnete Verdrängung und Beschönigung des Geschehenen aus.

Geschrieben hatte Akhanli das in einem türkischen Verlag erschienene Buch, Teil der Trilogie "Kayip Denizler" (dt. "Die verschwundenen Meere"), in Deutschland. 1957 in der osttürkischen Provinz Artvin als Lehrersohn geboren, war Doğan Akhanlı 1991 in den Westen geflohen. Vorangegangen war eine längere Geschichte politischer Verfolgung, die 1975 ihren Anfang nahm: Akhanlı hatte eine linke Zeitung gekauft, was ihm fünf Monate Untersuchungshaft einbrachte und, wie er später sagte, sein "Vertrauen in den türkischen Staat vollkommen erschütterte".

Erst Untergrund, dann Schreiben

Nach dem türkischen Militärputsch 1980 ging Akhanlı in den Untergrund, engagierte sich als Student der Geschichte und Pädagogik in der Revolutionären Kommunistischen Partei, publizierte Flugblätter und Zeitschriften. 1987 folgte eine Inhaftierung zusammen mit seiner Frau und dem 16 Monate alten Sohn, bei der Akhanlı auch gefoltert wurde.

Mit dem Schreiben begann er dann erst Mitte der 1990er-Jahre in Deutschland – nicht zuletzt, um sich mit erlittenen Traumata auseinanderzusetzen. Von verlorener Heimat und Verbrechen gegen die Menschlichkeit handeln seine Bücher, in denen er sich auch des Holocausts annahm: In "Der letzte Traum der Madonna" erinnert Akhanlı an das jüdische Flüchtlingsschiff Struma, das 1942 im Schwarzen Meer versenkt wurde. Das Buch wurde von türkischen Kritikern unter die zehn besten des Jahres 2005 gewählt. Ins Deutsche übersetzt ist es, wie viele Werke Akhanlıs, noch nicht.

In Deutschland gab der Autor lange Jahre zweisprachige Führungen im Kölner NS-Dokumentationszentrum, schrieb aber auch Drehbücher für eine türkische Krimiserie. 2010 kam es dann in der Türkei zu jener Verhaftung, die auch zur Vorgeschichte von Akhanlıs jüngst vergangener Festsetzung in Spanien gehört: Der Autor war erstmals wieder in die Türkei gereist, um seinen im Sterben liegenden Vater zu besuchen. (Roman Gerold, 20.8.2017)