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Sebastian Kurz, Umfragenkanzler.

Foto: AP/Ronald Zak

Außenminister und Neo-ÖVP-Obmann Sebastian Kurz war nicht das erste Beispiel dieser Entwicklung, wohl aber das schillerndste. Mit seinen sieben Bedingungen wollte er sicherstellen, dass er allein entscheiden kann, wer für die ÖVP in der Nationalratswahl kandidiert. Die Bünde sollten dabei entmachtet werden und die "neue" ÖVP ein jugendliches und schlagkräftiges Image erhalten. Inhaltlich gab es zwar nicht viel Neues – so war die einzige Auskunft, die Sprecher Peter L. Eppinger im Interview geben konnte, dass es "voraus" gehen solle. Dennoch zeigten Umfragen die Liste des Außenministers auf Platz eins.

Auch in anderen Bereichen der politischen Landschaft gibt es ähnliche Entwicklungen. Auch Peter Pilz hat eine Liste gegründet, in der er allein bestimmt, wer auf Bundesebene kandidieren darf. Auch bei ihm hat man Schwierigkeiten, ein genaues Wahlprogramm auszumachen. Denn statt konkreter Positionen inszeniert er lieber eine große Show um seine Person und die Gruppe an Abgeordneten aus SPÖ und Grünen, die nach dem Scheitern in internen Vorwahlen nun gemeinsam einen letzten Versuch starten, doch noch einen Platz im Nationalrat zu bekommen. Wie ein fürsorglicher Vater will Pilz dabei erscheinen, wenn er sagt, dass zwar die Abgeordneten der FPÖ keinen Platz bei ihm hätten, die Wähler allerdings schon, da diese "etwas Besseres verdient" hätten.

Keine neue Entwicklung

International ist dieses Phänomen nicht neu. Das beste Beispiel liefert wohl Russland, in dem Wladimir Putin schon seit einigen Jahren den Macho spielt und dabei Begeisterung vonseiten der Bevölkerung erfährt. In der Türkei hat Recep Tayyip Erdoğan nach etlichen Wahlerfolgen im Rahmen eines Referendums seine Idee einer paternalistischen Verfassungsreform durchgesetzt, in der er die Staatsgeschäfte künftig mit freier Hand leiten kann. Dabei wurde ihm nicht nur von den türkischen Staatsbürgern im eigenen Land Zustimmung erteilt, in Europa war das Ergebnis sogar noch wesentlich deutlicher.

Wählern der FPÖ ist die Idee einer Vereinigung der Ämter von Bundespräsident und Kanzler nicht neu, da Heinz-Christian Strache schon vor einem Jahr diese Forderung offen artikuliert hat. Es ist nicht seine erste Forderung, die die Stabilität der Verfassung gegen das Machtbedürfnis weniger eintauschen soll. Dennoch verfehlte der Strahlemann Norbert Hofer aus selbiger Partei, der immer wieder betonte, dass er nicht davor zurückschrecken würde, die Regierung zu entlassen, nur um wenige Prozent die Präsidentschaft. In der Nationalratswahl 2017 haben die Freiheitlichen zwar nicht mehr die Werte des vergangenen Jahres, sind aber weiterhin im Kampf um Platz drei vertreten.

Das Ende der klassischen Politik

Einer der letzten pragmatischen Politiker, Reinhold Mitterlehner, legte vor einigen Monaten sein Amt nieder. Zwischen den wesentlich lauteren Selbstinszenierern in anderen Parteien gab es für ihn keinen Platz mehr. In der ÖVP war es nur eine Frage der Zeit, bis er abmontiert und ausgetauscht werden würde – gegen den Außenminister, der sein Interesse an einer Obmannschaft zu dieser Zeit noch vehement dementierte. Bei den Grünen zeichnete sich zu dieser Zeit bereits das Ende der Amtszeit der angeschlagenen Eva Glawischnig ab, die in ihrer Abschiedskonferenz noch davor warnte, den narzisstischen Vaterpersönlichkeiten, die nun auf fast allen Wahllisten die Führung übernehmen, zu viel Macht zu geben.

Die nächste Nationalratswahl wird eine wichtige für Österreich. Es wird sich zeigen, ob die Entwicklung zu mehr Entscheidungsfreiheit weniger Persönlichkeiten weitergehen, oder ob die Basisdemokratie doch noch eine Wiedergeburt erleben wird. (Alessandro Gallo)