Der Bericht zur Lage der behinderten Menschen konstatiert Fortschritte, aber auch Mängel.

Foto: Heribert Corn

Wien – Für Menschen mit Behinderung hat sich in den letzten Jahren zwar einiges verbessert, trotzdem bleibt noch viel zu tun. Das ist die Quintessenz des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Menschen mit Behinderung, der am Dienstag auf der Tagesordnung des Ministerrates stand.

Der mehr als 280 Seiten starke Bericht bietet einen umfassenden Überblick über die Entwicklungen in der Behindertenpolitik der Jahre 2008 bis 2016, insbesondere über die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und des Nationalen Aktionsplanes 2012 – 2020. Es ist der dritte derartige Bericht nach 2003 und 2008. Neben zahlreichen statistischen Daten und dem Bericht des Behindertenanwaltes sind erstmals auch die Länder, der Dachverband der Behindertenverbände und der Monitoringausschuss mit einem eigenen Beitrag vertreten.

"Obwohl in Österreich über eine Million Menschen mit einer Form von Behinderung leben, wird der Thematik nach wie vor zu geringe Aufmerksamkeit geschenkt. Ziel muss es sein, dass sämtliche Politikfelder die Anliegen von Menschen mit Behinderungen berücksichtigen und in ihre Entscheidungen miteinfließen lassen", heißt es in dem Bericht. "Seitens der öffentlichen Stellen gab es in den vergangenen Jahren große Bemühungen zur Bewusstseinsbildung. Dennoch ist das Bewusstsein für diese Thematik nach wie vor noch zu gering."

Spürbares Umdenken

Zahlreiche Maßnahmen hätten zwar zu einem "spürbaren Umdenken" geführt. Damit seien "jedoch lediglich die ersten Schritte gesetzt". Nach wie vor fehle es an einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern für eine einheitliche Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Es brauche in naher Zukunft auch eine Weiterentwicklung des NAP Behinderung hinsichtlich der Zeit nach 2020. Auch Entwicklungen, die mit der steigenden Alterung der Gesellschaft verbunden sind (z.B. die Zunahme demenzieller Beeinträchtigungen), oder spezielle Unterstützungen von Frauen mit Behinderungen müssten in Zukunft verstärkt forciert werden.

Wenn auch in den vergangenen zehn Jahren sehr viele Maßnahmen zum Schutz vor Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen gesetzt wurden, so urgieren die Autoren auch in diesem Bereich weitere Maßnahmen. Insbesondere im Bereich der öffentlichen Gebäude von Bund, Ländern und Gemeinden sowie im öffentlichen Verkehr in städtischen Regionen konstatiert der Bericht "maßgebliche Verbesserungen". Auch kommen die öffentlichen Stellen ihrer Verpflichtung nach barrierefreiem Informationsangebot (Homepages, Broschüren, etc.) verstärkt nach und bauen dieses Angebot schrittweise aus (z.B. Bescheide in leichter Sprache). Da aber nach wie vor neu errichtete Geschäftslokale nicht barrierefrei zugänglich sind, werden neue Überlegungen hinsichtlich einer Kooperation mit der Wirtschaft als unumgänglich bezeichnet.

"Um Barrierefreiheit in Österreich flächendeckend her- und sicherzustellen, bedarf es insbesondere auch umfassender, nachhaltiger Maßnahmen wie beispielsweise einer Harmonisierung der Bauvorschriften der Länder und der Etablierung von Barrierefreiheit als Pflichtfach in allen einschlägigen Ausbildungen."

Inklusion gefragt

Positiv vermerkt wird auch, dass Inklusion als zentrales Thema der Qualitätsentwicklung in Bildungseinrichtungen zunehmend in das Bewusstsein aller Beteiligten gelangte und nicht mehr nur als Aufgabe der Sonderpädagogik gesehen wird. Dennoch müsse auf dem Weg zum inklusiven Lernort kontinuierlich an der weiteren strukturellen und organisatorischen Entwicklung sowie Qualitätssicherung gearbeitet werden. "Eine der zentralen Herausforderungen ist sicherlich, Inklusion in der Praxis von Bildungseinrichtungen flächendeckend zuetablieren – hier geht es vor allem um die Veränderung von Einstellungen, Haltungen und Praktiken", heißt es in dem Bericht.

Am Arbeitsmarkt sei zwar "einiges vollbracht" worden. "Nichtsdestotrotz sind wir mit der Situation konfrontiert, dass insbesondere Menschen mit Behinderungen überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen sind." Um Menschen mit Behinderungen ein möglichst selbstbestimmtes Leben und umfassende Teilhabe zu ermöglichen, wurde eine Vielzahl an Maßnahmen getroffen. Im Bereich der Schule und des Arbeitslebens wird vonseiten des Bundes umfassende Unterstützung in Form der Finanzierung von persönlicher Assistenz geleistet. Die persönliche Assistenz in der Freizeit wird von den Bundesländern in unterschiedlicher Form zur Verfügung gestellt.

Den Ländern wurden im Zuge des Finanzausgleichs zwar 300 Millionen Euro dafür zur Verfügung gestellt – "dennoch ist ein weiterer Ausbau aus derzeitiger Sicht noch nicht gesichert", beklagen die Autoren. "Auch fehlt es aufgrund der Zuständigkeitsverteilung an einer österreichweit einheitlichen und im Sinne der betroffenen Menschen funktionalen Lösung." (APA, 22.8.2017)