In Wien geht ein Supersommer zu Ende. Es war so heiß wie selten zuvor, die Stadt fühlte sich an wie Kreta ohne Meer und vermittelte: Je mehr asphaltierte Fläche desto heißer. Also Bäume pflanzen, Erde aufschütten, Samen streuen. Wenn es so heiß bleibt, sollten wir Städte anders bauen, mit mehr Pflanzen und wassergebundenen Oberflächen. Auch Architektur sollte anders aussehen. Eingepackte Schachtelarchitektur ohne Vorsprünge kommt kalten Regionen zugute. Jetzt aber sind differenzierte Fassaden mit ausladende Balkonen gefragt sowie luftige Stiegenhäuser, offene Gänge, Fensterläden und Markisen. Das vollverglaste Haus kommt gerade nicht so gut an, bei 38 Grad im Schatten.

Hitze macht erfinderisch: Skatesurfing.
Foto: Sabine Pollak
Viel Asphalt, wenig Schatten und ein Lichtblick, das Projekt "Park".
Foto: Vene Maier
Supersommer in Wien: In Zukunft müssen Städte anders gebaut werden.
Foto: Sabine Pollak

Jung, wild, schräg: Der erste Wiener Supersommer 

Einen Sommer der Extraklasse gab es in Wien schon einmal. Am 9. Juni 1976 riefen die Architekturbüros Coop Himmelblau, Missing Link, Haus-Rucker-Co, Panamarenko und die italienischen Gruppe Superstudio den "Ersten Wiener Supersommer" aus. Die jungen und wilden Architekten erklärten den oberen Naschmarkt zur offenen Szene und spielten einen Sommer lang Stadtutopie. Die Stadt, so das Credo, gehöre weder der Stadtplanung noch der Politik, sondern den Stadtbenutzenden. Ein künstlicher Himmel über einer Bühne rahmte das Geschehen, schräge Ebenen verunsicherten im Gehen und ein Museum in Form eines Hutes wies auf Obdachlosigkeit hin. Einen Sommer lang wurden geltende Gesetze des öffentlichen Raums außer Kraft gesetzt. Beinahe hätte sogar Christo einen der Flaktürme eingehüllt und Wien wäre Weltkunststadt geworden. Zeitgleich wurde Stadtutopie Wiener Realität, und dies nachhaltig. Am 27. Juni wurde die Arena für 101 Tage besetzt, was ganze Generationen Kulturschaffender prägte.

Untergenutzter Raum erfährt temporär Mehrfachnutzung.
Foto: Zara Pfeiffer
17 Gestalterinnen und Gestalter wollen Stadt mit Stadtbenutzenden weiterdenken.
Foto: Zara Pfeiffer
Gutes Konzept und gute Architektur.
Foto: Sabine Pollak

Baum, Park, Parkplatz 

Sind Sie im Supersommer 2017 einmal frühabends über das Flohmarktareal gegangen? Probieren Sie es bei der nächsten Hitzewelle, aber Vorsicht, es könnte heiß werden. Urbane Leerflächen sind wichtig, sie lassen temporäre Bespielungen zu wie aktuell die sehr begrüßenswerte Initiative "Park" eben dort. Aber was spricht dagegen, dort auch Bäume zu pflanzen? Oder ein Stück Wiese? Man könnte das Areal überdachen, eine kleine Markthalle mit intensiv begrüntem Dach bauen oder eine kleine Stadtwald-Oase pflanzen. Supersommer hin oder her, die Fläche ist untergenutzt und kein Flohmarkt dieser Welt rechtfertigt das ewige Freihalten. Und die Parkplätze? Ach ja, ich vergaß, es stehen Wahlen an und 1 Parkplatz = 10 Wählerstimmen. Parkplätze sind allerdings ein schlechtes Argument, wenn es um städtische Hitze geht. Die Moral aus der Geschichte? Auf einen Supersommer folgt nicht unbedingt ein Superherbst. (Sabine Pollak, 29.8.2017)

„Park“ regt zu Diskussionen an, auch über städtisches Grün.
Foto: Zara Pfeiffer

Hinweis: "Park" ist eine temporäre Rauminstallation am Parkplatz des Naschmarkts, entworfen und gebaut von "Team Wien", 17 junge Wiener Gestalterinnen und Gestalter, die von 1. bis 24.9.2017 zum Mitgestalten einladen. 

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