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Wurde verhaftet: Kirill Serebrennikow

Foto: AP/Damir Yusupov

"Die Theaterszene ist im Aufblühen", gab Kirill Serebrennikow noch 2015 bei einem STANDARD-Gespräch zu Protokoll und führte stolz und eiligen Schrittes durch das Gogol Center Moskau, das er damals bereits zwei Jahre erfolgreich geleitet hatte. Mit umstrittenen Inszenierungen brachte der 47-Jährige das Haus regelmäßig zum Brodeln; der Publikums zuspruch ist enorm, nur die Politik sieht im in ternational gefeierten Theater- und Filmregisseur den untreuen Freigeist.

Dass er Geld veruntreut haben soll (knapp eine Million Euro), wollen viele nicht glauben und interpretieren die Vorwürfe, die am Dienstag in eine Verhaftung mündeten, als politisch motivierten Akt. Zu den namhaften Verteidigern Serebrennikows gehören Autorin Ljudmila Ulizkaja, Starschauspieler Jewgeni Mironow oder auch Exfinanzminister Alexej Kudrin.

Serebrennikow hat das Gogol Center als Ort etabliert, an dem unabhängig von der staatlich verordneten (kulturellen) Leitlinie gedacht und gearbeitet wird. Seine Inszenierungen kritisieren die Verbrüderung von Politik und Orthodoxie, das Mundtotmachen der Bürger und thematisieren das Schwulsein: vom Staat als "homosexuelle Propaganda" abgelehnt.

Zwei Projekte kamen auf diese Weise bereits zu Fall. Für einen Film über Tschaikowsky wurde Serebrennikow das Geld entzogen, weil er die Homosexualität des Komponisten nicht verschweigen wollte. Im Juli erst hieß es vor der Welturaufführung eines Balletts über Rudolf Nurejew aus denselben Gründen: Stopp.

Serebrennikow, 1969 in Rostow am Don in eine jüdische Familie geboren, ist schwul, bekennender Buddhist und lässt sich, wie er selbst in einem Interview mit der Berliner Zeitung martialisch formulierte, "nur von einer Kugel stoppen". Dass er bei Demonstrationen gegen die Putin-Autokratie dabei war, versteht sich von selbst.

Das internationale Echo auf die Verhaftung ist groß, war Serebrennikow doch sehr präsent: Seine Filme (Betrayal, Der die Zeichen liest) waren in Cannes und Locarno vertreten, er arbeitete in Stuttgart und Berlin (American Lulu von Olga Neuwirth) und war 2015 auch bei den Wiener Festwochen zu Gast.

In wenigen Wochen wird Serebrennikow in Stuttgart erwartet, wo er zur Saisoneröffnung Engelbert Humperdincks Hänsel und Gretel inszenieren soll. Die russische Justiz sagt dazu wohl Njet. (Margarete Affenzeller, 22.8.2017)