Der subtile US-Jazzgitarrist John Abercrombie erlag 72-jährig einem Herzversagen.

Foto: Rene Volfik

New York – Es war 1974, als auf ECM ein Trioalbum des Gitarristen Jon Abercrombie erschien, das dem emphatischen Jazzrock jener Tage sanfte Poesie entgegenstellte, die sich im epischen Sinne zu entfalten anschickte. Zusammen mit Schlagzeuger Jack DeJohnette und Keyboarder Jan Hammer zeigte Abercrombie, 1944 in Port Chester, New York, geboren, dabei mit einer Komposition wie Timeless, dass Intensität nichts mit Dezibelexzess zu tun haben musste.

John Abercrombie mit Dave Holland (bass) und Jack DeJohnette (drums).
emmadetten

Abercrombie kam zweifellos aus der Schule des kühlen Minimalisten Jim Hall und hatte in dessen Umfeld seinen Stil gefunden: Im Gegensatz zu dem älteren Kollegen hielt sich Abercrombie jedoch in harmonisch weniger jazzklassischen Sphären auf. Er bevorzugte malerische Räume der tonalen Vieldeutigkeit, die Abercrombie die Möglichkeit gaben, sich bei Improvisationen melodisch komplex Richtung Impulsivität zu steigern.

Wie jeder Stilist war auch Abercrombie, der vor seiner ECM-Zeit in der Band von Johnny Hammond Smith und in der Gruppe Dreams (mit Michael und Randy Brecker) gespielt hatte, kein eindimensionaler Improvisator. In seinem Spiel waren Blueselemente und nervöser Bebop ebenso enthalten wie Ingredienzien des coolen Jazz. Nur waren sie verschmolzen zu einem persönlichen Stil.

Sanfte Kammermusik

Dieser gab sich zwar tendenziell introvertiert, er war aber auch voll von quasi mikroskopischer Emphase. Auch auf dem Duoalbum von 1976, Sargasso Sea, mit dem Gitarrenkollegen Ralph Towner eingespielt, war dies alles zu hören. Fern des obligaten Jazz fantasierten sich da zwei Gitarristen durch Geräuschkomposition und sanft brodelnde Kammermusik.

John Abercrombie mit Thomas Morgan (bass), Joey Baron (drums) und Mark Feldman (violin) 2011 im Teatro Comunale in Cormòns, Italien.
Maurizio Zorzi

Später ging Abercrombie etwas auf Distanz zum poetischen Musikrahmen: In den 1990ern spielte er im Quintett des Trompeters Kenny Wheeler. Hierauf bildete er mit Bassist Marc Johnson und Schlagzeuger Peter Erskine ein Trio, wie auch eines mit Organist Dan Wall und Drummer Adam Nussbaum. Das klang in Summe etwas mehr nach Mainstream. Aber Abercrombie blieb der subtile Improvisator, der dann auch mit Vertretern der neuen Generation der New Yorker Szene – wie Geiger Mark Feldman und Drummer Joey Baron – musizierte. John Abercrombie ist am Dienstag einem Herzversagen erlegen. (Ljubiša Tošic, 23.8.2017)