Wien – Eigentlich sollten die Simmeringer noch vor dem Sommer über die Einführung des Parkpickerls entscheiden. Doch weil Paul Stadler, der erste freiheitliche Bezirkschef Wiens, die in Simmering gemeldeten Drittstaatsangehörigen nicht mitstimmen lassen wollte, musste die Befragung verschoben werden. Sie findet nun Mitte September statt – und sorgt aktuell wieder für Aufregung.

Denn wie der "Kurier" am Mittwoch berichtete, will Stadler die von Drittstaatsangehörigen abgegebenen Stimmen nicht so werten wie jene von Österreichern oder EU-Bürgern: Gebe es in einem Sprengel mit besonders vielen Drittstaatsbürgern ein mehrheitliches Nein, von österreichischen und EU-Bürgern aber fast ausschließlich ein Ja, "überlegen wir uns, wie sehr wir dieses Ergebnis berücksichtigen", sagte er dem "Kurier".

Bezirksinteressen

Das bedeute aber nicht, versuchte er später im Gespräch mit der APA zu beschwichtigen, dass er die Stimmen nicht werten wolle. "Wenn etwa ein Nein in einem Sprengel herauskommt, dann wird das als Nein gelten."

Im Rathaus hatte man seinem Ansinnen, Drittstaatsangehörige überhaupt von der Befragung auszuschließen, zuvor eine Absage erteilt. Eine Filterung dieser Information sei aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht zulässig, hieß es aus dem Büro von Renate Brauner (SPÖ). Denn es gehe hier nicht um die Frage der Wahlberechtigung, sondern um "Öffentlichkeitsarbeit im Interesse des Bezirks", wie in einem Schreiben an Stadler – es liegt dem STANDARD vor – festgehalten wird.

Herkunft soll abgefragt werden

Der Bezirkschef will dies nun umgehen, indem er den Simmeringern auch noch zwei weitere Fragen stellt: nach der Herkunft sowie danach, wie lange sie schon im Bezirk wohnen. Denn wenn etwa viele, die schon lange in einem Grätzel wohnen, für die Plakette stimmen und andere, die erst seit kurzem hier leben, nicht, sei das eine wichtige Information, meint Stadler. Da könne man zum Beispiel überlegen, ob man vereinzelt neue Kurzparkzonen einrichtet – auch wenn eine flächendeckende Zone abgelehnt wurde.

Die für Verkehrsfragen zuständige Stadträtin und Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) nahm die Debatte am Mittwoch zum Anlass, um einen Vorschlag zur Änderung der Stadtverfassung beim Juristischen Dienst der Stadt in Auftrag zu geben. Denn es könne nicht sein, dass "ein Bezirksvorsteher demokratische Grundprinzipien demoliert", sagte sie zum STANDARD.

Keine rechtliche Grundlage

Das "Minimum" sei, so Vassilakou, dass in der Stadtverfassung "klargestellt wird, wer (bei Bezirksbefragungen, Anm.) stimmberechtigt ist und dass jede Stimme gleich viel wert ist". Für die Vizestadtchefin sind solche Befragungen derzeit überhaupt verfassungswidrig: weil laut Gesetz über Gebühren gar nicht abgestimmt werden darf (siehe unten).

Hintergrund ist, dass Befragungen auf Bezirksebene nicht auf einer rechtlichen Grundlage basieren – und somit auch die Ergebnisse nicht bindend sind. Wer abstimmen darf, ist – anders als bei einer Wahl – ebenfalls nicht klar geregelt. Zuständig für Änderungen der Stadtverfassung ist der Wiener Landtag.

Auch die ÖVP Wien forderte am Mittwoch klare Regeln für Bürgerbefragungen in Wien. Man weise schon seit Jahren darauf hin, dass diese nicht im rechtsfreien Raum stattfinden dürften, hieß es in einer Aussendung. Für die Wiener Neos ist Stadlers "Demokratieverständnis äußerst fragwürdig". Er wolle die Ergebnisse "nach seinem Gutdünken anpassen". Sie forderten ebenfalls eine rechtliche Grundlage für Befragungen in den Bezirken. (Christa Minkin, 23.8.2017)