In Wien werden Frauen mit Fluchthintergrund im Gesundheitsbereich ausgebildet. Sie sollen andere Frauen auf Augenhöhe über Schwangerschaft und Muttersein beraten und dabei unterstützen.

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Wien – 14 Jahre lang war Amina Amini Bahram als Gynäkologin tätig, bevor sie nach Wien geflohen ist. Seit 2010 arbeitet die Ärztin als Ordinationshilfe und an der Verbesserung ihrer Deutschkenntnisse. Gemeinsam mit 13 Frauen, die ebenfalls Fluchterfahrung haben, ließ sich Amini Bahram von April bis Juni über das Projekt Core der Stadt Wien zur Mentorin für junge Mütter und Schwangere ausbilden.

"Uns ist wichtig, geflüchtete Menschen auch in ihren Fähigkeiten und Kompetenzen zu sehen", sagt Ursula Struppe, Leiterin der Magistratsabteilung 17 für Integration und Diversität: "Sie können so ihre Kompetenzen für andere Flüchtlinge nutzen, werden aber auch selbst unterstützt."

In Nachbarland geflohen

Amini Bahram wurde in der afghanischen Hauptstadt Kabul geboren, wo sie später Medizin studierte und zwei Jahre als Frauen ärztin tätig war. "Gerade im Dorf sind die Frauen verschlossen, sie sind schüchtern", erzählt die 45-Jährige von ihrer Arbeit in Afghanistan. "Es ist schwer, denn viele der Frauen gehen nicht zur Kontrolle, sie besuchen erst den Arzt, wenn sie Komplikationen haben." In Kabul sei es einfacher: "Im Dorf gibt es kaum Krankenhäuser. Die Frauen müssen bei einem Notfall in die großen Städte fahren."

In den 1990ern floh Amini Bahram kriegsbedingt in das Nachbarland Pakistan, wo sie zwölf Jahre lebte und arbeitete, bevor sie auch dort der Konflikt einholte und sie mit ihren vier Kindern nach Wien migrierte.

Frauen informieren Frauen

Über Core sollen Frauen, die in ihrer Heimat Hebammen, Gynäkologinnen oder Kinderärztinnen waren, das österreichische Gesundheitssystem, administrative Abläufe und Fachtermini lernen.

Ihr Wissen gibt Amini Bahram weiter – auf Augenhöhe und, wenn möglich, in der eigenen Sprache. "Ich spreche mit den jungen Frauen in unserer Moschee über den Mutter-Kind-Pass oder Probleme bei Frühgeburten und Verhütung." Zielgruppe sind auch geflüchtete Frauen in Asylunterkünften. "Die Sensibilisierung für Themen wie HIV/Aids und Geschlechtskrankheiten oder Familienplanung ist für sie wichtig."

Engagement für Flüchtlinge

Javad Amiry wurde über Core zum Peer für Jugendliche. Das insgesamt mit sechs Millionen Euro dotierte dreijährige Projekt wird zu 80 Prozent aus EU-Geldern finanziert, 20 Prozent kommen aus Mitteln der Projektpartner.

Seit Amiry 2015 über die Balkanroute nach Österreich gekommen ist, engagiert er sich ehrenamtlich im Flüchtlingsbereich. In einem Ordner sammelt er akribisch Praktikumsbestätigungen.

Mit zwei Jahren verließ Amiry seine Heimat und floh in den Iran. Dort hat er seinen Vornamen geändert. "Ich heiße Batur, aber meine Familie wollte nicht, dass man schon vom Namen her weiß, dass ich Afghane bin", erzählt der 21-Jährige. "Als Afghanen zählen wir im Iran weniger, werden ständig diskriminiert", sagt er zu der Entscheidung, nach Europa zu gehen. Da ihn seine Mutter von klein auf gedrängt hatte, Englisch zu lernen, bot er sich in Unterkünften als Übersetzer an. Jetzt will er Vorbild und Integrationshelfer für Junge sein. "Die Leute wurden im Krieg geboren und sind im Krieg aufgewachsen", sagt Amiry: "Viele haben Fehlinformationen: Sie hören, sie sollen Betreuern nichts erzählen, es seien Zivilpolizisten, die sie abschieben würden. Mit mir reden sie, weil ich auch Afghane bin."

Es sei "schwierig mit Leuten, die aus bestimmten Regimen kommen", sagt auch Struppe: " Es ist eine grundsätzliche Ängstlichkeit dabei. Vertrauen entsteht leichter bei anderen Geflüchteten." (Oona Kroisleitner, 24.8.2017)