Wien – Zwanzig Fragen schickte DER STANDARD den Mediensprechern der Parlamentsparteien: nach ihren Vorstellungen für den ORF, für Privatsender, Google, Facebook, Medienförderungen und Überwachung. Die – schriftlichen – Antworten bleiben da und dort wohl auch wahlkampfbedingt recht allgemein, andere wiederum sind bemerkenswert konkret.

Blümel beginnt

Hier zum Auftakt der Fragebogen mit den Antworten von Gernot Blümel (35), Mediensprecher der ÖVP, Wiener Parteichef und Stadtrat in der Hauptstadt. Die Antworten weiterer Mediensprecher folgen unter "Medienpolitik zur Wahl" in den nächsten Tagen und Wochen.

ORF

STANDARD: Medienminister Thomas Drozda (SPÖ) hat sich eine ORF-Reform und zuvor eine Enquete über die künftige Finanzierung, die künftigen Aufsichtsgremien und den Programmauftrag des ORF vorgenommen, die sich vor der Wahl nicht mehr ausging. Wie soll der ORF aus Ihrer Sicht künftig finanziert, organisiert, geführt und beauftragt werden?

Blümel: Das war meine erste Erkenntnis, als ich nach zwei Jahren wieder medienpolitischer Sprecher der ÖVP wurde: Die Themen sind nach wie vor dieselben, es hat sich in dieser Zeit nichts verändert – nicht einmal eine Enquete ist in dieser Zeit passiert.

Ich bekenne mich jedenfalls klar zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen und zu österreichischem Programm. Als Land mit einem gleichsprachigen Nachbarn, der zehnmal so groß ist, wird man das auch immer unterstützen müssen. Meiner Meinung nach soll der ORF die notwendigen technischen Möglichkeiten haben, wenn es darum geht, das eigene Programm an die Seher zu bekommen – etwa indem die völlig unverständliche Frist von sieben Tagen in der TVthek abgeschafft wird. Gleichzeitig muss aber ein öffentlich-rechtlicher Sender, der mit Steuergeld finanziert wird, hinsichtlich Werbeeinnahmen anders behandelt werden als die Privaten. Hier bin ich für klarere Unterscheidung.

STANDARD: Braucht es künftig einen gebührenfinanzierten österreichischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk – und mit welchen Aufgaben?

Blümel: Gerade in Zeiten der steigenden Bedeutung sozialer Medien und der vermehrten, gezielten Desinformation bekommen die traditionellen Medien, insbesondere auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk, eine neue Bedeutung. Sie werden immer stärker vom Informations- zum Verifikationsmedium. Und auch das finde ich sehr wichtig. Gerade die Reichweite des ORF ist dafür ein großes Asset und sollte dazu bestmöglich genutzt werden. Ganz ohne öffentliche Teilfinanzierung wird das nicht möglich sein, das gilt aber nicht nur für den ORF.

STANDARD: In den vergangenen Wochen kursierten wieder einmal Spekulationen, eine neue Regierung könnte ORF 1 oder Ö3 privatisieren, die Sender könnten einzelnen Medienhäusern schon versprochen sein. Was halten Sie von der Idee, ORF 1 und/oder Ö3 abzuspalten und privaten Medienunternehmen zu verkaufen?

Blümel: Prinzipiell bekenne ich mich klar zu einem öffentlich-rechtlichen Informationsmedium und zu österreichischem Programm. Das bedeutet aber auch, dass jene Reichweiten, die der ORF hat, von großem Vorteil sind. Denn wenn öffentlich-rechtliche Inhalte niemand sieht, dann ist auch niemandem geholfen. Daher sind Reichweiten wichtig. Das Thema der Privatisierung kocht immer dann besonders hoch, wenn der Eindruck unobjektiver Berichterstattung diskutiert wird. Das haben alle im ORF selbst in der Hand.

STANDARD: In Deutschland müssen – bis auf sozial Bedürftige – alle Haushalte für ARD, ZDF und Co bezahlen, unabhängig vom Empfang. Ein ähnliches Modell hat sich die Schweiz fix vorgenommen. Hier ist Radio-Streaming auch von ORF-Programmen bisher gebührenfrei, weil technisch kein Rundfunkempfang, an den das Gesetz die GIS-Gebühr knüpft. Wäre eine Haushaltsabgabe sinnvoll?

Blümel: Ich bin für zukunftsorientierte und sinnvolle Reformen immer offen, jedoch nicht für zusätzliche Abgaben. Es gibt zirka eine Milliarde Euro, die von öffentlicher Seite in den Medienmarkt gepumpt werden. Das ist mehr als ausreichend! Den Kuchen müsste man nur besser verteilen.

STANDARD: Der ORF hat 35 Stiftungsräte, beschickt von Regierung (9), Parteien (6), Bundesländern (9), ORF-Betriebsrat (5) und Publikumsrat (6), die ORF-Führung, Budget, Programmschema und wesentliche unternehmerische Entscheidungen bestimmen, sowie 31 Publikumsräte. Wäre eine Verkleinerung des/der Gremien sinnvoll und wie sollten sie künftig aussehen?

Blümel: Ich denke nicht, dass Gremiengrößen des ORF die entscheidenden Themen der österreichischen Medienpolitik sind.

STANDARD: Der ORF hat derzeit einen Alleingeschäftsführer – Alexander Wrabetz – und vier Zentraldirektoren sowie ORF-Landesdirektoren für jedes Landesstudio. Ist der Ist-Zustand sinnvoll – oder sehen Sie sinnvollere Varianten (und welche)?

Blümel: Auch diese Fragen sind nicht die entscheidenden für den österreichischen Medienstandort. Wenn man unter Medienpolitik nur "ORF-Gremienstruktur" versteht, ist das ein Politikzugang, dem ich nichts abgewinnen kann.

STANDARD: Soll das ORF-Gesetz Mindestanteile für österreichische Produktionen/Musik/Inhalte in Radio- und Fernsehprogrammen des ORF vorschreiben?

Blümel: Ich habe vor drei Jahren einen Entwurf für ein Medienpaket mit dem Titel "Mehr Programm für Österreich" vorgelegt. Natürlich sind österreichisches Programm und damit Wertschöpfung wichtig und wesentlich. Mindestens genauso wichtig ist aber der erzielte Marktanteil von öffentlich-rechtlichen Inhalten.

STANDARD: Der ORF wünscht sich mehr Online-Möglichkeiten – von Werbe-Targeting bis zu längerem Anbieten von Videoinhalten. Was halten Sie davon?

Blümel: Ich bin absolut dafür den ORF von technischen Einschränkungen so weit wie möglich zu befreien, dafür gleichzeitig die Rahmenbedingungen für Werbeeinnahmen klarer zu regeln.

STANDARD: Kritiker werfen ORF-Journalisten wie Armin Wolf "Verhörmethoden" vor. Braucht es neue Regeln für ORF-Journalisten und sollen ihre Social-Media-Aktivitäten eingeschränkt werden?

Blümel: Hier möchte ich gerne eine Lanze für Armin Wolf brechen. Denn er ist definitiv nicht das Problem des ORF. Er ist ein harter Interviewer, der sich sehr akribisch vorbereitet. Aber er behandelt alle gleich. Social Media gehören zum Alltag – diese einschränken zu wollen ist naiv und nicht zeitgemäß. Es gilt für Politiker gleichermaßen: Es gibt in der Öffentlichkeit keinen Unterschied zwischen persönlicher und politischer Meinung. Das sollten sich vielleicht auch Journalisten ab und an zu Herzen nehmen.

"Das haben alle im ORF selbst in der Hand": Gernot Blümel, hier bei einem APA-Interview 2016.
Foto: APA/Robert Schlager

Privatsender

STANDARD: Zwei Sendergruppen – ProSiebenSat1 und RTL/IP – dominieren das Privatfernsehen in Österreich, insbesondere auf der Basis von Werbefenstern. Seit deren Start in den 1990ern wurden immer wieder Sonderregeln/-steuern für Werbefenster gefordert. Ist da aus Ihrer Sicht etwas zu tun – und wenn, was?

Blümel: Selbstverständlich möchte ich möglichst viel Wertschöpfung in Österreich halten. Österreich ist mit einem zehnmal so großen gleichsprachigen Nachbar in einer Sonderrolle. Ich trete in jeder Hinsicht für Leistungsgerechtigkeit und Steuergerechtigkeit ein. Über zusätzliche Steuern in Österreich möchte ich nicht diskutieren – denn wir sind jetzt schon ein Höchststeuerland.

Medienförderung

STANDARD: Die RTR fördert derzeit kommerzielle Privatsender – etwa die "Morning Show" auf Kronehit oder Life Radio, Nachrichten auf Puls 4 oder auch Ö24TV mit insgesamt 15 Millionen Euro pro Jahr. Der scheidende RTR-Chef Alfred Grinschgl hat vorgeschlagen, über mehrere Jahre deutlich profitable Sender nicht mehr zu fördern – was halten Sie davon?

Blümel: Es gibt viele überlegenswerte Ansätze. Wenn man aber öffentlich-rechtliche Inhalte als förderungswürdig ansieht, wird man die Profitabilität eines Unternehmens nicht als ausschließliches Ausschlusskriterium heranziehen können.

STANDARD: Sehen Sie insgesamt Änderungsbedarf bei der Förderung elektronischer Medien (15 Millionen Privat-TV, 3 Millionen Community-Sender, 13,5 TV-Produktionsförderung, Digitalförderung)?

Blümel: Selbstverständlich gibt es insgesamt deutlichen Änderungsbedarf für die österreichische Medienpolitik. Die Medienlandschaft ist im Umbruch, die Digitalisierung im Vormarsch. Auf neue Fragen kann man keine alten Antworten geben. Sondern es braucht generelles Umdenken und Neudenken. "Geld für Wandel" könnte eine Richtung sein, in die man künftig stärker gehen muss.

STANDARD: Medienpolitisches Thema der vergangenen Monate war eine Reform der Presseförderung von derzeit 8,9 Millionen Euro. Die Verleger fordern eine Erhöhung. Welche Form der Presse/Medienförderung halten Sie für sinnvoll?

Blümel: Solange die Frage der Hauszusteller* nicht geklärt ist, brauche ich nicht über eine Erhöhung der Presseförderung nachdenken. Denn ersteres Problem würde deutlich mehr schaden, als letzteres helfen würde.

STANDARD: Medienminister Drozda plant etwa eine hohe Basisförderung nach der Zahl der Journalisten für alle Tageszeitungen einschließlich Gratiszeitungen und ein Bonussystem etwa für Beteiligung am Presserat, moderierte Foren, Redaktionsstatute. Im Ergebnis würden etwa noch sehr profitable Massentitel die "Kronen Zeitung" oder die "Kleine Zeitung" rund 1,1 Millionen Euro bekommen wie auch "Die Presse" oder DER STANDARD. Was halten Sie von diesem Modell?

Blümel: Man wird für jedes Modell Für und Wider finden. Wie gesagt: Zuerst muss die Hauszustellerproblematik gelöst werden, denn da geht es um wesentlich mehr Geld!

STANDARD: Sollen bestimmte Branchen- und Qualitätssicherungsmaßnahmen wie die Teilnahme am Presserat Grundbedingung für Medien- oder Presseförderung sein?

Blümel: Es sollte jedenfalls eher auf Qualität als auf Vertriebskanal abgestellt sein. Und vor allem müssen die digitalen Kanäle entsprechend ihrer Bedeutung abgebildet sein.

Medientransparenz

STANDARD: Sollen Regierungsinserate limitiert und/oder reglementiert werden, und wenn ja, wie?

Blümel: Auch diese Diskussion ist keine neue und wird in Ruhe und sachlich auch wieder zu führen sein. Ein gänzliches Verbot halte ich aber für nicht zielführend. Die höchste Priorität liegt in der Transparenz!

Google/Facebook

STANDARD: Wesentliche Teile der Onlinewerbung gehen – auch in Österreich – an Google und Facebook. Sehen Sie eine Möglichkeit, eine Onlinewerbeabgabe auch auf die Werbeeinnahmen von Google und Facebook aus Österreich einzuheben – und wäre das sinnvoll?

Blümel: Ich trete jedenfalls für Steuergerechtigkeit ein – selbstverständlich gilt das auch für Google und Facebook. Gerade deshalb wäre auch das Leistungsschutzrecht wesentlich. Sinnvollerweise mit einer europäischen Lösung, aber wenn nichts weitergeht, sollten wir mit einer eigenen Regelung vorangehen.

STANDARD: Hass-Postings: Sollen Plattformen wie Facebook oder Youtube medienrechtlichen Standards unterliegen?

Blümel: Es kann jedenfalls nicht sein, dass man die Augen vor Hass im Internet verschließt! Da müssen klare Regeln her!

Überwachung

STANDARD: Sind die Möglichkeiten der österreichischen Behörden zur Überwachung persönlicher Daten und Kommunikation ausreichend, gehen sie zu weit oder zu wenig weit?

Blümel: Ich verstehe nicht, dass die SPÖ sich bei den geplanten Verschärfungen querlegt. Kriminelle nutzen moderne Kommunikationswege – das muss doch auch unserer Polizei möglich sein. (fid, 25.8.2017)