Daniel Koller / derStandard.at
Daniel Koller / derStandard.at
Daniel Koller / derStandard.at
Daniel Koller / derStandard.at
Daniel Koller / derStandard.at
Daniel Koller / derStandard.at
Daniel Koller / derStandard.at

Es war das Handy der Generation Y, um das sich noch heute Legenden ranken. Unzerstörbar, mit einer Akkulaufzeit von mehreren Wochen und mit Spielen, die monatelangen Zeitvertreib bieten, so ist das Nokia 3310 noch vielen in Erinnerung. Seit der Veröffentlichung im Jahr 2000 hat sich allerdings einiges getan. Das Smartphone mischte die Handybranche neu und Nokia, einstiger Weltmarktführer für Mobiltelefone, war eine Zeitlang Geschichte. Unter der Flagge von HMD Global ist das Unternehmen seit kurzem wieder da und somit auch das Nokia 3310 für 50 Euro. Ein Wochenende lang begab sich der STANDARD damit auf Zeitreise und tauschte Smartphone gegen Retrohandy.

Die Benutzung von Tasten verlernt

Bereits die Erstverwendung des Telefons weckt Erinnerungen an die Vergangenheit, in der das Smartphone im Kommen war. Damals musste mühsam das Tippen auf einem Touchscreen erlernt werden. Zuvor hatte man auf Tasten getippt und war Meister der T9-Tastatur geworden. Im Jahr 2017 der umgekehrte Lerneffekt. Mühsam tippt man auf den Tasten und braucht für eine Nachricht oder Navigation dreimal so lang, wie man dafür mit einem Smartphone gebraucht hätte. Positiv dabei ist, dass dies durchaus entschleunigend wirkt. Negativ, dass man nach kurzer Zeit gefrustet ist und sich einen Touchscreen zurückwünscht.

Unzerstörbar war gestern

Optisch erinnert das neue Nokia 3310 wenig an das 2000er-Modell. Auch die Verarbeitung lässt beim neuen Gerät deutlich zu wünschen übrig. Testweise wurde das neue Nokia 3310 mehrere Male aus Hosentaschenhöhe fallengelassen und gemeinsam mit Schlüsseln in einem Hosensack transportiert – mit Folgen: Beides hinterließ Kratzer und Einkerbungen. Unzerstörbar gehört wohl der Vergangenheit an. Kein Wunder, sind weder Bildschirm noch Kameralinse mit Gorilla Glass oder dergleichem geschützt.

Früher war die Größe zumindest besser

Apropos Display, dieser ist im Vergleich zum Original mit einer Diagonale von 2,4 Zoll deutlich gewachsen und nimmt nun einen Großteil des Handys ein. Zudem bietet es eine farbliche Darstellung. Weiters ist das neue Nokia 3310 leichter und schlanker geworden. Es wiegt jetzt nur mehr circa 80 Gramm und ist 12,8 Millimeter dünn. Im Vergleich zu heutigen 5,5-Zoll-Smartphones eine Wohltat. So passt es perfekt in die Hosentasche und ist auch dort kaum wahrzunehmen. In dieser Hinsicht waren früher die Telefone besser.

Das neue Snake macht nicht wirklich Spaß

Als Betriebssystem kommt das S30+ zum Einsatz, das durchaus flott ist. Mit einem D-Pad orientiert man sich recht flink durch das übersichtliche Menü und findet jene Applikationen, die man auch im Jahr 2000 verwendet hatte. Auf gängige Messenger wie Whatsapp muss man allerdings verzichten. Zumindest Snake hat es aufs neue Nokia 3310 geschafft – in der deutschen Übersetzung heißt es Schlange und wurde von Gameloft entwickelt. Bei dem Game schlängelt man sich durch mehrere Level und sammelt Äpfel ein, um die nächste Ebene freizuschalten. Nett, aber dem Original nicht wirklich ähnlich.

Im Internet surfen ist ein wahrer K(r)ampf

Ansonsten gibt es auch noch einen Kalender, einen Taschenrechner, eine Sprachrekorder-Applikation, eine App für Musik und eine für Videos und einen Store für neue Software. Dort können etwa Twitter, Facebook und der Facebook-Messenger nachgeladen werden. Ein Browser wird auch mitgeliefert, konkret Opera Mini. Mit dem Nokia 3310 im Internet zu surfen macht nicht wirklich Spaß. Das Telefon funkt im GSM-Netz und hat somit nur Zugriff auf eine Edge-Datenverbindung. Selbst mobile Websites benötigen dadurch mehrere Minuten, bis sie vollständig geladen wurden. Das weckt Erinnerungen an jene Zeit, in der das mobile Surfen sündteuer und extrem langsam war.

Auch noch heute ein wahres Akkuwunder

Die Akkulaufzeit stimmt hingegen jedoch wieder äußerst positiv. Begonnen wurde der Test an einem Freitagnachmittag und beendet an einem Sonntagabend. Der Akkustand nach dieser Zeit häufiger Nutzung: bei circa 60 Prozent. Sparsame Nutzer schaffen wohl eine Woche mit einer einzigen Ladung. Nach dem Test wurde das Gerät mit dem 1200-mAh-Akku übrigens auf dem Schreibtisch liegengelassen und gab erst nach drei Wochen Standby w. o. Angekündigt wurde dies mit nervigen Signaltönen, die sich offenbar nicht deaktivieren lassen.

Kamera floppt, FM-Radio und Musik-App in Ordnung

Weiter zur Zwei-Megapixel-Kamera: Retro hin oder her, die Qualität der Aufnahmen ist katastrophal. Zumindest aber besser als beim Original, mit dem überhaupt keine Fotos möglich waren. Zudem ist nach circa fünf Fotos Schluss, da nur 16 Megabyte Speicher zur Verfügung stehen. Dieser lässt sich aber mittels Micro-SD-Karte nachrüsten, um mehr Platz für Fotos, Videos, aber auch Musik zu schaffen. Ein FM-Radio steht neben dem vorinstallierten Musikplayer übrigens auch zur Verfügung – im Test kam es bei der Nutzung immer wieder zu kurzen Ausfällen. Zumindest die Lieblingssender ließen sich festlegen.

Gesprächsqualität kann überzeugen

In puncto Gesprächsqualität gibt es beim Nokia 3310 nichts zu bemängeln. Die Sprachqualität ist sehr gut, zudem konnten keinerlei Stockungen, Aussetzer oder Hintergrundrauschen bei mehreren Anrufen mit unterschiedlichen Teilnehmern vernommen werden. Bei günstigen Smartphones hat man diese Gesprächsqualität nicht, obwohl diese zumeist mit UMTS oder gar VoLTE ausgestattet sind. Eine Anrufliste steht übrigens auch zur Verfügung – ferner können Telefonnummern gesperrt werden.

Statt zu reparieren wird ausgetauscht

Zuletzt noch zur Reparaturmöglichkeit: Öffnet man das Nokia 3310 auf der Rückseite, findet sich ein wechselbarer Akku – in der heutigen Zeit mittlerweile sehr selten geworden. Darunter finden sich der Micro-SD-Kartenschacht und die Einschübe für zwei SIM-Karten. Auf die restliche Hardware lässt sich nicht zugreifen. Diese ist mittels Torx-Schrauben gesichert, etwaige Ersatzteile gibt es nicht. Nokia tauscht das Gerät aber aus, sollte es innerhalb des Garantiezeitraums kaputt werden. Repariert wird hier aufgrund des günstigen Preises aber nicht.

Fazit

Im Prinzip ist das neue Nokia 3310 ein durchaus brauchbares Feature-Phone, das bis auf Snake jedoch kaum Gemeinsamkeiten mit dem Original aus dem Jahr 2000 aufweist. Unzerstörbar, das war aufgrund der schlechten Verarbeitung gestern. Auch der geringe Speicherplatz fällt negativ auf – zumindest hier kann man mittels einer Micro-SD-Karte nachhelfen. Positiv zu beurteilen sind die lange Akkulaufzeit und die gute Gesprächsqualität.

Fraglich ist nur, wer nun eigentlich die Zielgruppe des Telefons ist. Die Generationen X, Y und Z wurden durch das Smartphone verwöhnt – ältere Menschen, die damit überhaupt nichts anfangen, werden wohl auch eher auf "Seniorenhandys" zurückgreifen. Insgesamt wurde beim neuen Nokia 3310 einfach Potenzial verschenkt. Retro geht deutlich besser, wie es Nintendo mit dem SNES Classic aufgezeigt hat. Somit ist die Neuauflage des Klassikers nur ein Feature-Phone von vielen, das aufgrund des Hypes um das Original durchaus verkauft werden wird, dann aber auf Schreibtischen verstaubt. (Daniel Koller, 26.8.2017)