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Insbesondere männliche Führungskräfte können die Dynamik in Frauenteams schwer nachvollziehen und versuchen daher, sich eher fernzuhalten. Weibliche Führungskräfte verstehen im Allgemeinen zwar besser, was in Frauenteams geschieht, aber häufig werden sie selbst Teil der beschriebenen Dynamik.

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Die Genderzusammensetzung von Teams wirkt sich auf die Führungsarbeit aus. Führungskräfte, die reine Frauen- oder Männerteams leiten, wünschen sich daher häufig gemischte Teams. Sie wissen aus Erfahrung oder glauben zumindest, dass in gemischten Teams weniger Spannungen vorhanden sind, bessere Leistungen erbracht werden, Herausforderungen umfassender und vielseitiger gelöst werden. Dies wird auch durch wissenschaftliche Studien belegt. Doch was bedingt die Dynamik in reinen Frauen- und Männerteams? Wo liegen die Unterschiede?

Das, was wir als Rollengeschlecht oder Gender bezeichnen, wird von Kindesbeinen an trainiert. In der Familie, in der Schule, in Büchern und in Filmen wird vermittelt, wie sich "richtige" Frauen und "richtige" Männer verhalten. Dieses vermeintlich richtige Verhalten unterliegt der Prägung durch das soziale Umfeld, die Bildung, den Zeitgeist und die gerade geltenden gesellschaftlichen Normen. Daher unterliegt es auch dem kulturellen Wandel. Unsere Mütter, Großmütter, Väter und Großväter haben und hatten eine andere Vorstellung vom "richtigen" Verhalten der beiden Geschlechter als unsere Generation. Einiges davon ist uns bewusst, vieles aber auch nicht.

Mädchen versus Buben

Die Soziolinguistin Deborah Tannen hat das Sozialverhalten von Mädchen und Burschen untersucht und festgestellt, dass sie bereits früh ein völlig unterschiedliches Kommunikationsverhalten zeigen. Sehr verkürzt gesagt: Mädchen sprechen über persönliche Dinge und bestärken sich und ihre Freundschaft durch Zusicherung von Gemeinsamkeiten. Gute Leistungen werden meist nicht hervorgehoben, weil Understatement mehr Bonuspunkte in Freundschaften einbringt als das Hervorheben von Leistungen.

Burschen hingegen sprechen insgesamt weniger miteinander, noch weniger über Persönliches oder ihre Gefühle. Gespräche beziehen sich mehr auf sachliche Inhalte. Gute körperliche und geistige Leistungen werden hervorgehoben, weil ihnen das eine starke Position in der Gruppe sichert.

"Ober sticht Unter"

In Männerteams gibt es somit zumeist eine offizielle Hierarchie. Es herrscht Klarheit über das "Revier", also die Kompetenzen der einzelnen Personen. Schwierigkeiten entstehen rasch, wenn Zuständigkeiten nicht geklärt sind oder sich einzelne Männer in der Hierarchie nicht deutlich genug einordnen.

Das Motto "Ober sticht Unter" gilt nicht nur beim Militär. Führungskräfte von Männerteams sind daher gut beraten, wenn sie im Team die Ordnung, gleichzeitig jedoch eine Kultur des Austauschens unterschiedlicher Sichtweisen und des Querdenkens fördern. Gute Führungskräfte zeigen außerdem auf, dass die Qualität sowie die Entwicklung der Sache im Mittelpunkt steht und daher das bloße Durchsetzen von Positionen oder das Markieren von Revieren nicht gewünscht ist.

Signale der Zugehörigkeit

In Frauenteams läuft die Gruppendynamik nach anderen Prinzipien: Eine oder mehrere Frauen stehen im Zentrum, dem sich die anderen Teammitglieder zugehörig fühlen. Inhaltliche Kompetenz hat in diesem Zentrum einen hohen Stellenwert, genauso wie die Fähigkeit, meinungsbildend zu wirken. Die Zugehörigkeit wird dabei in erster Linie durch Zustimmung signalisiert.

Bewusst oder unbewusst führt diese Form der Kommunikation zur Cliquenbildung, manchmal auch mit wechselnden Fronten. Konflikte werden nicht offen ausgesprochen. Das führt dazu, dass jene Frauen, die sich am Rande des Teams befinden oder ausgegrenzt fühlen, wenig dagegen ausrichten können.

Spielregeln hinterfragen

Insbesondere männliche Führungskräfte können die Dynamik in Frauenteams schwer nachvollziehen und versuchen daher, sich eher fernzuhalten. Weibliche Führungskräfte verstehen im Allgemeinen zwar besser, was in Frauenteams geschieht, aber häufig werden sie selbst Teil der beschriebenen Dynamik.

Doch was, wenn es kurz- oder mittelfristig keine Möglichkeit gibt, das Team neu zu formieren? Wenn es in der Branche oder für bestimmte Positionen kaum weibliche oder männliche Fachkräfte gibt?

Es braucht Führungskräfte, die Aufmerksamkeit und Mut haben, eine offene Kommunikation im Team zu fördern, unausgesprochene Spielregeln zu hinterfragen und durch neue, gemeinsam formulierte Regeln zu ersetzen, die jeden Einzelnen und jede Einzelne fördern. Führungskräfte brauchen die Kompetenz, inoffiziellen Teamleadern eine für ihre Aufgabenerfüllung angemessene Rolle zu geben.

Verantwortung übernehmen

Ich habe als Organisationsberaterin viel Erfahrung in der Unterstützung von Führungskräften gesammelt. Dabei geht es darum, den Führungskräften Mut zu machen, die Veränderung von Teamdynamiken als Führungsaufgabe anzunehmen. Auch gilt es, Wege aufzuzeigen, wie Veränderungen angestoßen werden können – zum Beispiel über die Klärung von Prozessen und Strukturen im Team.

Aber vor allem müssen die Führungskräfte Verantwortung übernehmen. Fragen wie "In welcher Weise ist die Führungskraft für das Klima im Team verantwortlich?" oder "Was können Führungskräfte und Teammitglieder tun, um das Miteinander zu verbessern?" schaffen die Grundlage dafür, dass Frauen und Männer die Chance haben, sich neu und anders zu verhalten. Und dieses zeitgemäße Handeln braucht es, um in Unternehmen einen Wandel hin zu mehr Diversität zu ermöglichen. (Anita Rainer, 4.9.2017)