Die US-Botschaft in Havanna

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Am 9. August berichtete der US-Sender CNN, in Havanna eingesetzte Diplomaten aus den USA und Kanada seien Opfer mysteriöser "Schallattacken" geworden. Die Behörden in Washington und Ottawa bestätigten, dass Betroffene in Spitalsbehandlung seien, nannten aber keine Details.

Erste Attacken sollen sich bereits 2016 ereignet haben. Die Betroffenen klagen über Schwindelgefühle, Kopfschmerzen, manche sogar über dauerhaften Gehörverlust. Die Symptome hätten sich unvermittelt nachts eingestellt, ohne dass etwas zu hören gewesen wäre. Einzelne Opfer berichten hingegen, laute Geräusche "wie die eines Winkelschleifers" gehört zu haben. Bei einem US-Diplomaten dauert der Gehörverlust bereits zehn Monate, Ärzte befürchten dauerhafte Schäden.

Die kubanische Regierung beteuert, nicht hinter den rätselhaften Attacken zu stehen: "Kuba hat nie zugelassen und wird nie zulassen, dass sein Territorium für Aktivitäten gegen akkreditierte Diplomaten oder deren Familien benutzt wird", erklärte das Außenministerium.

US-amerikanische und kanadische Polizei in Havanna

Es ist auch schwer vorstellbar, dass die Kubaner beabsichtigen sollten, die unter US-Präsident Barack Obama begonnene Verbesserung der Beziehungen zum großen Nachbarn zu gefährden. Ermittler der US-Bundespolizei FBI, des US-Außenministeriums und der kanadischen Polizei berichten, dass sie von den Behörden in Havanna bei ihrer Arbeit unterstützt werden.

Im Mai wiesen die USA zwei kubanische Diplomaten aus. Außenministeriumssprecherin Heather Nauert begründete dies damit, dass Kuba seine Verpflichtung, Botschaftspersonal zu schützen, nicht erfüllt habe, erhob aber keine weiteren Vorwürfe gegen die Regierung in Havanna.

Zweifelhafter US-Verdacht

Wie die mysteriösen Attacken abgelaufen sein sollen, ist unklar. Neurologe Seth Horowitz erklärte der "Washington Post", er bezweifle die Darstellung des US-Außenministeriums: "Es gibt keine akustischen Geräte, die durch unhörbare Geräusche Gehörschäden hervorrufen können." Sehr tiefe Töne in extremer Lautstärke könnten zwar Übelkeit auslösen, erforderten aber riesige Lautsprecheranlagen und bewirken keine Langzeitschäden, Ultraschall habe hingegen keinen Einfluss auf das Hörvermögen.

Im hörbaren Bereich ausstrahlende "Schallkanonen", wie sie seit 2008 von Militär, Polizei und privaten Sicherheitsfirmen eingesetzt werden (DER STANDARD berichtete), seien hingegen aufgrund ihrer Größe schwer zu verbergen. Horowitz nennt als mögliche Ursachen für die Beschwerden Viren, genetische Veranlagung oder normale Lärmbelastung.

Jürgen Altmann, deutscher Experte für nichttödliche Waffen, hält es auch für möglich, dass die Beschwerden durch ototoxische Substanzen, also Gifte, die auf das Innenohr wirken, hervorgerufen werden. Eine Schall-Wunderwaffe, die leicht zu tarnen sei, könne er sich ebenfalls nicht vorstellen, erklärte er in der "NZZ". (bed, 25.8.2017)