Wien – Gewichtsprobleme – so nennt man heute explodierende Kleidergrößen an Menschen, die zu viel (fr)essen. Davon kann man adipös werden. So sagt man das neuzeitlich. Früher gab es dafür zünftige Einsilber wie blad, fett oder g'füllt, an gütigen Tagen akzeptierte man das Märchen von den schweren Knochen.

Gewichtsprobleme sollen Robbie Williams plagen. Deshalb herrschte im Vorfeld seines Wien-Konzerts banges Raten, wie er denn aussehen würde. Wissenschaftsmagazine wie die Gala sprachen von einer seltenen Krankheit. Einer Schlafstörung, bei der der Leidende, ohne aufzuwachen, an den Kühlschrank geht und zulangt. Morbus Mitternachtsjause. An der soll der britische Popstar laborieren, schrecklich.

Wir werden alle nicht jünger, aber für einen kurzweiligen Abend reicht es bei noch. Robbie Williams schwitzte im Wiener Praterstadion.
Fischer

Doch als er am Samstagabend die Bühne des Praterstadions betrat, gab es Entwarnung. Das Format eines Taschenspiegels mag die Williamsbirne sprengen, doch einem der größten Popstars des Planeten braucht man mit Kleinkram gar nicht erst kommen. Seine Tour heißt schließlich Heavy Entertainment Tour; das lässt Spielraum für Interpretationen, die zwischen dem Titel seines letzten Albums und erwähntem Kühlschrankmagnetismus angesiedelt sein können.

Aber: Robbie sieht gut aus. Relativ. Irgendwo zwischen dem mittleren John Goodman und dem späten Elvis, doch nur im Gesicht. Der Body, geprüft von den Ausschweifungen eines anstrengenden Front- und Backstagelebens, ist zumindest so trainiert, dass die Tätowationen im Sinne ihres Stechers weithin sichtbar sind und er eine hundertminütige Show mit einigen Bankerlpausen ohne Mühe durchsteht.

Nach einer ihm auf den Leib geschriebenen Hymne (God Bless Our Robbie), die ihm bis aufs Gemächt ("well hung") huldigte, erschien er. Angetan wie ein Irrtum auf einer Highlander-Themenparty, gab er erst einmal Orientierungshilfe, worum es in den nächsten zwei Stunden gehen würde: um Rock (nicht die Musik, die Kleidung) und Cock (nicht den Kikeriki). Gekreisch im Publikum. Hihi. Super.

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Über 50.000 waren gekommen, um ihn zu sehen. Dann ging's los: The Heavy Entertainment Show, Let Me Entertain You, Monsoon. Nach dem Block hatte der 43-Jährige das Stadion um den Finger gewickelt, der Rest war Kür. Das große Talent dieses kleinen Sängers ist: Er hat Schmäh. Und Selbstironie. Williams macht sich da oben gerne zum Affen. Lieber ein Witz aus den unendlichen Tiefen unter der Gürtellinie zu viel als schlechte Laune im Oval. Und mittlerweile hat das ehemalige Mitglied der Boyband Take That genug Hits im Katalog, um vergessen zu machen, dass seine letzten Alben allesamt katastrophal waren und sich ebenso verkauften. Oben auf der Bühne aber, da geht er ab. Nicht mehr so vital wie früher, aber wir werden ja alle nicht jünger.

Vor einer gut im Saft stehenden Band mit Bläsersatz samt furzender Tuba durchmaß er sein Reich. Zehn Tanzmäuse mit beseelten Stimmen und knackigen Ärschen – wir sind bei Robbie, da heißt das so – unterstützten ihn bei seiner Mission.

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Nach den Songs atmete er ein bisserl durch und erzählte Anekdoten. Zum Beispiel, wie er 1994 sein großes Idol George Michael getroffen habe und am liebsten vor ihm auf die Knie gegangen wäre, um ihm ein Lied von José Felatio zu singen. Für den verstorbenen George sang er dann dessen Freedom 90, anschließend spendete er sich und dem Publikum mit Love My Life Trost. Kitschig, aber wirkungsvoll. Dabei saß er in einem riesigen Boxhandschuh, der sich über dem Publikum im Kreise drehte. Gekreisch. Robbieee!!!

Schnitzel und Fettnapf

Drollig-prollig vermengte er Größenwahn mit ehrlichem Gefühl. Er charmierte mit Geschichten von seinen beiden Kindern oder einem Liebesgeständnis an seine Frau Ayda Field, die er für Somethin' Stupid auf die Bühne bat und mit der er am Ende des Songs eng umschlungen tanzte, die Hand auf ihrem Arsch (er ist Robbie Williams!). Schließlich durfte noch sein Dad Peter auf die Bühne, von dem er sein Talent als Unterhalter geerbt haben will.

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Gemeinsam sangen sie Neil Diamonds Sweet Caroline, bevor Williams in die Zielkurve der Show einbog, wieder von Wiener Schnitzeln fantasierte und in den Germany-Fettnapf trat, den ihm sein Publikum großzügig nachsah. Wer so viel gibt, dem wird vergeben.

Musikalisch war das Ganze so lala, unterhaltsam allemal und mit zumindest einem wirklich guten Witz versehen: Woran merkt man, dass man alt ist? Wenn man Porno schaut und sich denkt, dieses Bett sieht wirklich sehr gemütlich aus.

Am Dienstag wird er denselben Witz bei seinem Konzert im Klagenfurter Wörthersee-Stadion erzählen. Sorry for spoiling. (Karl Fluch, 27.8.2017)