Rechte Parteien schöpfen noch immer besonders stark bei männlichen Wählern ab. Frauen wiederum haben bis Anfang der 1970er-Jahre insgesamt eher konservativ gewählt.

Foto: APA / Herbert Neubauer

Wien – Ein feministischer Klassiker der französischen Schriftstellerin und Philosophin Simone de Beauvoir trägt den berühmten Titel Das andere Geschlecht. Wählt dieses "andere" Geschlecht denn auch anders? Welche empirischen Unterschiede lassen sich mit Blick auf das Wahlverhalten von Frauen und Männern feststellen? Wählen Frauen anders als Männer?

"Ja, tun sie", sagt Politikwissenschafter Peter Filzmaier im STANDARD-Gespräch, stellt aber eine wichtige Bemerkung voran: "Natürlich ist das angesichts einer immer heterogeneren Gesellschaft eine unzulässige Pauschalisierung, denn ,die' Frauen gibt es ebenso wenig wie ,die' Männer, ,die' Städter oder ,die' Jüngeren – aber es gibt sie trotzdem, die Unterschiede im Wahlverhalten."

So haben Frauen bis in die 70er-Jahre in Österreich, aber auch in Europa und in den USA "insgesamt eher konservativ gewählt", sagt Filzmaier, was insofern bemerkenswert gewesen sei, als es die Sozialdemokratie war, die sich besonders für das Frauenwahlrecht eingesetzt habe. Diese konservative Tendenz im Wahlverhalten der Frauen änderte sich mit Bruno Kreisky (SPÖ): "Ab dann hat sich bis Anfang der 2000er-Jahre die klassische These des Gender-Gap im Wahlverhalten bestätigt. Das heißt grob vereinfacht: Frauen wählen eher Mitte-links, Männer eher Mitte-rechts."

Frauen wollten Rot-Grün

Grob vereinfacht deswegen, weil Wolfgang Schüssel 2002 ja dennoch für die ÖVP einen überlegenen Wahlsieg einfahren konnte. Allerdings, weiß Filzmaier: "Hätten nur Frauen gewählt, wäre sich Rot-Grün ausgegangen. Damals gab es eine klar messbare Geschlechterkluft." Denn auch auf der Gegenseite des politischen Spektrums war Bewegung. Da konnte nämlich Jörg Haider für die FPÖ die männliche Wählerschaft besonders stark begeistern.

Ein Muster, das bis heute gilt: Der Anteil der männlichen Wähler ist in der FPÖ im Vergleich mit den anderen Parteien am höchsten: Bei der letzten Nationalratswahl 2013 betrug er 28 Prozent (siehe Grafik). Laut Filzmaier gilt: "Der rechte Rand ist männlich. Je rechter, desto männlicher die Wählerschaft."

Am deutlichsten zu beobachten war das bei der Bundespräsidentenwahl 2016, die Alexander Van der Bellen letztlich mit 53,8 Prozent für sich entschieden hat. Hätten diese Wahl nur die Frauen entschieden, hätte er noch viel deutlicher gewonnen: mit 62 Prozent. Eine rein männliche Wählerschaft hätte FPÖ-Kandidat Norbert Hofer mit 56 Prozent ins höchste Amt gehievt. Diese eindeutige Gender-Präferenz sei, so Filzmaier, aber auch darauf zurückzuführen, "dass das die gegensätzlichsten Kandidaten waren, die es gibt".

Bei der Männer-Frauen-Verteilung in der FPÖ-Wählerschaft wirke sich auch aus, dass "Frauen heute noch skeptischer oder vorsichtiger sind gegenüber radikalen Positionen". Folgender Befund lässt sich ablesen: "Die FPÖ hat unverändert deutlich mehr männliche Wähler. Bei den Grünen korreliert der hohe Frauenanteil auch mit dem Alter." Das heißt: Der Anteil der Grün-Wählerinnen unter 30 ist mit 27 Prozent viereinhalbmal so groß wie jener der über 60-Jährigen. Hätten im Jahr 2013 nur Frauen unter 30 gewählt, dann wären ÖVP und Grüne ex aequo auf Platz eins gelandet.

Die letzten Stammwählerinnen

Mit Blick auf das tatsächliche Wahlergebnis darf aber nicht vergessen werden, dass es insgesamt viel weniger Frauen unter 30 als über 60 gibt. Ein Faktum, das für den überdurchschnittlich großen Frauenanteil von SPÖ und ÖVP bei der Nationalratswahl 2013 (je 29 Prozent aller Wählerinnen gaben entweder Rot oder Schwarz ihre Stimme) mitverantwortlich ist. "Das sind letzte Stammwählerinnen, von denen es demografisch bedingt besonders viele gibt", erklärt der Politikprofessor: "Das beeinflusst das Gesamtbild."

Die Bevölkerungspyramide ist mittlerweile ein "Bevölkerungspilz" – der schmale Stiel symbolisiert die geschrumpfte junge Generation, der breitkrempige Hut den deutlich größeren Anteil älterer Menschen, unter denen die Frauen überwiegen, zumal sie im Schnitt auch länger leben. Beim hohen Frauenanteil in der ÖVP-Wählerschaft kommt noch der Faktor Land dazu, wo viele Wählerinnen der Volkspartei leben.

Der Faktor Frau

Und welche Rolle spielt der Faktor Frau als Wahlmotiv? Keine allzu große laut Filzmaier. Das Argument "Frauen wählen Frauen" sieht er problematisch: "Wir haben immer noch ein Listenwahlrecht. Da ist im Regelfall vor allem der Spitzenkandidat relevant." Am 15. Oktober führen mit Ulrike Lunacek (Grüne) und Barbara Rosenkranz (Freie Liste Österreich) zwei Frauen eine Bundesliste an.

Generell gilt: "Es geht nicht ums Geschlecht, sondern darum, ob der Kandidat oder die Kandidatin einen glaubwürdigen Bezug zur Alltagswelt der Wählerinnen vermitteln kann", sagt Filzmaier. Die Kategorie Frau alleine sei genauso wenig ein zentrales Wahlmotiv wie etwa numerisch junge Kandidaten, die aber vielleicht in ihrem Auftreten recht alt anmuten.

Eine Glaubwürdigkeitsfalle, in die Parteien besser nicht tappen sollten, wenn sie Wählerinnen gewinnen wollen, gibt es noch, warnt Filzmaier: "Eine ,Frau von Mannes Gnaden' als Wahlköder wird eher nicht funktionieren." (Lisa Nimmervoll, 28.8.2017)