Sie werden pausenlos durch die politische Arena getrieben: Rufen Sebastian Kurz, Heinz-Christian Strache & Co nach Sozialkürzungen, nehmen sie zuallererst ausländische Mindestsicherungsbezieher ins Visier. Am Nachschub argumentativer Munition mangelt es nicht. Erst vergangene Woche hat die Statistik wieder einen kräftigen Anstieg der Ausgaben belegt, für die jüngere Vergangenheit gilt: Verantwortlich sind zu einem Großteil die vielen Flüchtlinge.

Man könnte es sich nun leichtmachen und die Debatte als heillos aufgeblasen vom Tisch wischen. Denn Daten des Sozialministeriums zeigen: Der Aufwand für die Mindestsicherung macht weniger als ein Prozent der Sozialausgaben des Staates aus.

Doch das allein ist ein schwaches Argument. Erstens ist mit reichlich Folgekosten zu rechnen, um den erwerbsfähigen Teil der Bezieher auf ein arbeitsmarkttaugliches Niveau auszubilden, zweitens hat das Problem nicht nur eine finanzielle Dimension. Die Misere der Eltern pflanzt sich hierzulande wegen des suboptimalen Schulsystems erfahrungsgemäß stark in schlechten Aufstiegschancen der Kinder fort, ein wachsendes Milieu der Abgehängten zieht eine Latte an gesellschaftlichen Schwierigkeiten nach sich. Im schlimmsten Fall bildet sich ein Nährboden für islamistischen oder anders gearteten Radikalismus.

Die immer noch hohe Arbeitslosigkeit macht kaum Hoffnung, dass die Mehrheit der Flüchtlinge in Mindestsicherung in absehbarer Zeit Jobs findet. AMS-Chef Johannes Kopf glaubt zwar an eine Erfolgsquote von 50 Prozent in fünf Jahren, doch dabei ist noch nicht gesagt, ob die Beschäftigung existenzsichernd und von Dauer sein wird. Bedarf an massenhaft Zuzüglern mit schlechter oder schlecht verwertbarer Qualifikation gibt es nicht. Das sollte Akteuren wie den Grünen zu denken geben, die zwar nationale Restriktionen in der Asylpolitik ablehnen, aber selbst keine realistische Alternative parat haben.

Doch auch das Rezept der Scharfmacher ist falsch. Die Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte befriedigt womöglich die Ressentiments mancher Wähler, bekämpft aber nur das Symptom. Kaum ein von schlechtem Deutsch und anderen Handicaps geplagter Flüchtling wird gegen die große Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt einen Job ergattern, nur weil der Staat die Sozialleistungen zusammenstreicht – und die Pflicht, angebotene Stellen und Kurse anzunehmen, gibt es inklusive angedrohter Sanktionen längst.

Außerdem drängt sich die Frage auf: Warum sollen Flüchtlinge trotz rasant steigender Wohnkosten in den Städten ohne weiteres mit viel weniger Geld auskommen können als einheimische Bedürftige? Armut ist eine schlechte Voraussetzung für Integration. In Wien lässt sich schon jetzt beobachten, dass geflüchtete Menschen nicht selten auf desolate Bruchbuden angewiesen sind, aus denen sie auf die Schnelle wieder rausfliegen können. Das erschwert den Start in ein eigenständiges Leben umso mehr.

Die Alternative ist unpopulär und mühsam: Es braucht (noch mehr) Investitionen in Bildung und Qualifikation, um möglichst vielen Flüchtlingen ein Leben auf eigenen Beinen zu ermöglichen. Das wird längst nicht bei allen gelingen, doch die vermeintlich schnelle Lösung ist gefährlich. Wer brutal die Schere ansetzt, erreicht außer ein paar kurzfristigen Einsparungen nichts – sondern schafft für die Zukunft nur noch mehr Probleme. (Gerald John, 27.8.2017)