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Die Großkundgebung zum 35. Jahrestag der GPC, der Partei von Ex-Präsident Ali Abdullah Saleh, in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa. Saleh ist – noch – der mächtige Partner der Huthi-Rebellen.

Foto: AP / Hani Mohammed

Sanaa/Wien – Vor beinahe drei Jahre brachten die Huthi-Rebellen im Jemen die Hauptstadt Sanaa unter ihre Kontrolle, aus der in der Folge die Regierung von Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi flüchtete. Nun haben sich die Huthis mit ihrem Partner überworfen, ohne den sie nie so weit gekommen wären: Ali Abdullah Saleh, als Präsident zuerst des Nordjemen, dann des vereinigten Jemen 33 Jahre an der Macht, bis er 2012 nach Protesten à la Arabischer Frühling weichen musste.

Es war stets eine Zweckehe zwischen den Hu this und Saleh: Als Präsident hatte Saleh ab 2004 den damals auf die nördliche Provinz Saada beschränkten Aufstand der Huthis, eines zaiditisch-schiitischen Clans, brutal bekämpft. Dabei wurde auch Hussein Badreddin al-Huthi, der Gründer der Bewegung und Bruder des derzeitigen Huthi-Führers Abdulmalik, getötet. Als Vehikel für seine Machtspiele waren die Huthis dem ausgebooteten Saleh aber ab 2014 nur allzu recht.

Blick auf die Nachkriegsordnung

Als Präsident Hadi 2015 nicht nur aus Sanaa, sondern auch aus Aden, wohin die Regierung geflüchtet war, vertrieben wurde, griff Saudi-Arabien – das hinter den Huthis den Iran sieht – ein. Zwar sind große Teile des Landes nach zweieinhalb Jahren Krieg wieder unter Kontrolle der Regierung, aber nicht Sanaa.

Die Spannungen zwischen Saleh und Huthis gibt es schon länger, gewaltsame Zusammenstöße – bei denen am Samstagabend ein prominenter Saleh-Gefolgsmann getötet wurde – könnten jedoch ein Zeichen für Bewegung an der politischen Front im Jemen-Krieg sein: Die Parteien bringen sich in Stellung für eine Nachkriegsordnung.

Denn die Saudis, die eine arabische Allianz anführen, sind unter Druck und zeigen Kriegsmüdigkeit: Die humanitäre Lage im Jemen, wo eine Cholera-Epidemie wütet und Hunderttausende hungern, ist katastrophal. Auf Zivilisten wird im Krieg keinerlei Rücksicht genommen, was Riads Waffenlieferanten, allen voran dem Bündnispartner USA, nicht gefällt. Es sind bisher rund 10.000 Menschen getötet worden, Millionen sind auf der Flucht.

Salehs Machtdemonstration

Die derzeitige Eskalation zwischen Huthis und Saleh begann im Vorfeld der Feierlichkeiten zum 35-jährigen Gründungsjubiläum von Salehs Partei GPC (General People’s Congress) am 24. August in Sanaa. Sie sollte zu einer Machtdemonstration Salehs werden, und die Huthis waren nervös: "Die Huthis verlieren zunehmend an Unterstützung in der Bevölkerung, denn sie sind nicht dazu in der Lage, wichtige Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen", sagt die Jemen-Expertin Marie-Christine Heinze, Vorsitzende vom Thinktank Carpo (Center for Applied Research in Partnership with the Orient), in Bonn zum STANDARD. Die Korruptheit der Huthis sei zudem durch die stetige Zunahme der von hochrangigen Huthis bewohnten Villen in Sanaa für alle sichtbar. "Saleh hat, strategisch klug wie er ist, die öffentliche Kontrolle über die Ministerien den Huthis überlassen, sodass nun sie – und nicht er – für die Probleme verantwortlich gemacht werden", sagt Heinze.

In einer Rede am Samstag vor den Feierlichkeiten stellte Abdulmalik al-Huthi eine "Verschwörung" in den Raum: Saleh antwortet seinerseits mit einer Rede, in der er die Huthis beschuldigte, die – 2015 getroffenen – Absprachen zur Regierung der kontrollierten Gebiete zu brechen.

Ahmad Saleh als Premier?

Hinter der "Verschwörung" stehen die Bemühungen der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), des zweitwichtigsten Mitglieds in der Saudi-Allianz, um einen Waffenstillstand. Die Hu this befürchteten, Saleh könnte diesen am 24. August verkünden. Der Deal sollte sein, dass Salehs Sohn Ahmad – früher Jemens Botschafter in den VAE – Chef einer Übergangsregierung wird. Saleh soll auch bereits mit Stämmen Kontakt aufgenommen haben, um ihnen die Lösung schmackhaft zu machen.

Die Salehs hätten so bei der Positionierung für die Nachkriegszeit auf Kosten der Huthis die Nase vorne – aber auch auf Kosten von Präsident Hadi. Saudi -Arabien, so meint ein arabischer Diplomat zum STANDARD, würde wohl trotzdem zustimmen: Denn eine Lösung ohne Saleh, der früher ja auch ihr Mann war, gebe es ohnehin nicht, und die Huthis – und damit der Iran – würden an Einfluss verlieren. Ein Waffenstillstand in diesem teuren und unpopulären Krieg wäre Riad recht.

Heinze hält einen baldigen totalen Bruch zwischen Huthis und Saleh dennoch für unwahrscheinlich: "Die Notwendigkeit der Allianz besteht weiter." Saleh und Huthis bräuchten ihr gemein sames Gewicht, einzeln wäre ihre Verhandlungsposition vis-à-vis der international anerkannten Regierung Hadi schwächer. (Gudrun Harrer, 29.8.2017)