Alpbach – Wenn beim Forum Alpbach zum Thema "Konflikt und Kooperation" diskutiert wird, geht es recht wissenschaftlich zu. Zumindest am ersten Tag der Wirtschaftsgespräche, bei denen renommierte Ökonomen ihre Thesen über Anreize für Zusammenarbeit in Unternehmen oder Gesellschaften vorstellten. Doch zum Thema gibt es im Tiroler Bergdorf auch reichlich praktische Erfahrung, wobei die ÖVP sich gleich als Beispiel aufdrängt.

Andrä Rupprechter wollte Dienstagabend – so wie die Jahre zuvor – die in Alpbach weilende Prominenz auf der idyllischen Bischofer Alm empfangen. Doch dann kam dem schwarzen Landwirtschaftsminister Sebastian Kurz dazwischen. Der neue Parteichef hat just zur gleichen Zeit wie Rupprechter eine gesellschaftliche Veranstaltung einberufen. Ober sticht Unter: Der Landwirtschaftsminister musste das Event um einen Tag vorverlegen und mit einem anderen Happening zusammenlegen.

Verhalten von Gesellschaften

Womit schon klar wird, dass auch in Tirol die Grenzen zwischen den extremen Polen verwischen. Forscher versuchen zu klären, was Menschen antreibt und wie Einstellungen und Verhalten die Gesellschaft prägen. Ein bedeutender Experte auf diesem Feld ist Alex Pentland, der mit riesigen Datenmengen soziale Interaktion misst und Schlüsse daraus zieht. Big Data für Gutmenschen, sozusagen, arbeitet der MIT-Professor doch bei Projekten mit der Uno oder der Weltbank zusammen.

Um an die Daten heranzukommen, lässt er sich einfach Gesprächskontakte und Bewegungsmeldungen von Telekomkonzernen zukommen. Dann kann Pentland feststellen, wer sich wo aufhält und mit wem kommuniziert. Im italienischen Trentino beispielsweise benutzten hunderte Familien zwei Jahre lang eine App, dank der sie Gleichgesinnte oder Hilfe bei der Lösung von Elternproblemen finden konnten. Die Grundthese dahinter: Nicht der Homo oeconomicus bestimmt Wirtschaft und Gesellschaft, sondern die Interaktion. Der Einfluss der Umgebung, die Gruppenbildung, hat laut Pentland entscheidende Bedeutung für das Verhalten der Individuen.

Ein Beispiel: Jene Arbeitslosen sind am schwersten vermittelbar, die keine Kontakte zu anderen Menschen haben. Das liegt aber nicht immer an einer mentalen Isolierung, sondern kann durch schlechte Infrastruktur bedingt sein. Auch für das Einkommen ist die "Community" relevant, befindet Pentland, der sein Arbeitsfeld als "social physics" bezeichnet. Je diverser eine Gemeinschaft ist, desto höher die Gage des Einzelnen. Frauen in arabischen Ländern, die nicht Auto fahren dürfen, nennt er als Kontrapunkt.

Vorbilder sind nützlich

Pentland glaubt an einen großen Nutzen seiner Forschung: Letztlich könnten damit Genozide oder Seuchen vermieden werden. Wie Pentland stellt auch der bekannte österreichische Verhaltensökonom Ernst Fehr die Interaktion in der Gruppe in den Fokus seiner Erkenntnisse. Seine Kernthese: Kooperation – der Unterschied zur individuellen Nutzenmaximierung hängt mit der Erwartung zusammen, ob die anderen zusammenarbeiten.

Wichtig sind für Fehr dabei Vorbilder, wobei er Silvio Berlusconi und Donald Trump als Negativbeispiele nennt.

Ebenfalls von großer Bedeutung: Das Sanktionieren von nicht-kooperativem Verhalten. Ohne Strafen könne man Trittbrettfahrer nicht einfangen, erzählt der in Zürich lehrende Vorarlberger in Tirol. Praktische Folgen hat das auch für die Politik. Vom Pariser Klimaabkommen erwartet sich Fehr nicht allzu viel, weil den Verpflichtungen zur Reduktion von Treibhausen keine Sanktionen gegenüberstehen. (Andreas Schnauder, 29.8.2017)