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Römische Ton- und Bleirohre aus dem ersten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Letztere könnten bereits viel früher eingesetzt worden sein als bisher angenommen.

Foto: AP/Andrew Medichini

Lyon – Zu den architektonischen Großleistungen der alten Römer zählt zweifellos das umfangreiche Wasserleitungssystem, das die Entfaltung des Imperiums und seiner Städte erst ermöglicht haben dürfte. Aber nicht nur Aquädukte und Leitungen aus Bleirohren verhalfen dem Reich zu seiner Größe, auch das Abwassersystem – darunter etwa die Cloaca Maxima in Rom – war eine nicht zu unterschätzende Innovation, die die Gesundheit der Bevölkerung und damit auch ihr Wachstum förderte.

Schriftliche Zeugnisse über die Entwicklung des Wasserleitungssystems liegen kaum vor, doch archäologische Funde weisen auf einen erstmaligen Einsatz von Bleirohren, sogenannten Fistulae, für diese Zwecke auf die Zeit um Christi Geburt hin. Nun aber hat ein britisch-französisches Forscherteam Hinweise darauf entdeckt, dass Bleileitungen von den Römern bereits bedeutend früher eingesetzt wurden.

Ostias Hafensedimente als historisches Archiv

Die Wissenschafter um Hugo Delile vom Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS) in Lyon haben aus Sedimenten im früheren Hafenbecken von Ostia nahe der Tibermündung an 177 Stellen Proben genommen. Die bis zu 12 Meter langen Bohrkerne entsprechen dabei einem Zeitraum von rund 1.000 Jahren. Im Labor untersuchten die Experten die Proben auf ihren Bleigehalt und gelangten zu überraschenden Ergebnissen.

Wie sich zeigte, dürften Bleirohre bereits im Verlauf des zweiten Jahrhunderts in Mode gekommen sein, also mindestens 150 Jahre früher als gedacht. Davor war das von der Aqua Appia und anderen Aquädukten nach Rom transportierte Wasser mittels Leitungen aus Ton, Holz oder Mauerwerk in einzelne Stadtviertel weiter verteilt worden. Aus den ab 200 vor unserer Zeitrechnung zunehmenden Bleikonzentrationen schlossen die Forscher auf einen großen Entwicklungsschub der Ewigen Stadt, der ein immer dichter werdendes Netzwerk aus Rohren aus Blei nach sich zog.

Bürgerkrieg hinterließ Spuren

Auch politische Entwicklungen ließen sich aus den Bleiwerten ablesen: Im Verlauf des Römischen Bürgerkriegs im ersten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung gingen die Konzentrationen des Schwermetalls signifikant zurück. Während der beginnenden Kaiserzeit in den letzten Jahrzehnten vor der Zeitenwende wurden die davor verfallenen Aquädukte und Leitungen wieder instand gesetzt, was sich wiederum in einem Anstieg der Bleiwerte widerspiegelte. Zu dieser Zeit dürfte Rom etwa eine Million Einwohner besessen haben.

Ein weiterer Einbruch der Bleibelastung ab dem dritten Jahrhundert unserer Zeitrechnung dürfte nach Ansicht der Forscher mit einem allgemeinen Niedergang des Reiches in Zusammenhang stehen. Wie sie im Fachjournal "PNAS" berichten, wurden ab dieser Zeit keine neuen Aquädukte mehr gebaut und bestehende Strukturen hat man nur mehr notdürftig oder punktuell gewartet. (red, 3.9.2017)