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Foto: REUTERS/U.S. Fish and Wildlife Service

Edmonton – Ökologische Zusammenhänge können mitunter so gefinkelt sein, dass sie dem Hausverstand widersprechen. Betrachten wir folgende Kalkulation: In einem Gebiet lebt die angestammte Pflanzenfresserart A, auf die die Raubtierart X seit jeher Jagd macht. Nun wandert zusätzlich Pflanzenfresser B ein – man sollte meinen, dass dies A Erleichterung verschafft, da X ja nun auch B erbeuten kann und sich nicht allein auf A konzentrieren muss. Doch es kann das genaue Gegenteil eintreten, wie eine kanadische Studie anhand von Rentieren (in der Rolle von A), Wölfen (X) und Elchen (B) zeigt.

Kanadische Waldkaribus sind die am weitesten südlich lebende Unterart der nordamerikanischen Rentiere. Sie leben in Waldregionen und sind anders als ihre migrierenden Verwandten im hohen Norden weitgehend standorttreu. In jüngerer Vergangenheit sind in die Heimatgebiete der einzelnen Herden aufgrund von Abholzungen und Klimaerwärmung zunehmend Weißwedelhirsche und vor allem Elche eingewandert. Und je mehr Elche es gibt, desto mehr geht der Karibu-Bestand zurück.

"Apparent competition"

Der Grund dafür liegt aber nicht in direkter Nahrungskonkurrenz, da würden beide Arten ausreichend Ressourcen finden. Stattdessen lässt ein hoher Elchbestand die Populationen der Wölfe anwachsen, denen Elche als ihre bevorzugte Beute eine stabile Nahrungsquelle bieten. Eine hohe Zahl von Wölfen führt aber auch dazu, dass mehr Karibus gerissen werden – als "Beifang", wie es Robert Serrouya von der University of Alberta ausdrückt. Bioinvasoren müssen ihren alteingesessenen Nahrungskonkurrenten also gar nicht direkt schaden, stattdessen kann der Zusammenhang ein indirekter sein ("apparent competition").

Ein Langzeitexperiment bewies den Zusammenhang zwischen steigenden Elch- und sinkenden Karibuzahlen. In den Gebieten dreier Karibu-Populationen wurden die Elchbestände durch gezielte Jagd dezimiert. Dort ging die Zahl der Wölfe allmählich zurück und die Karibubestände blieben stabil. In zwei Kontrollgebieten hatte man die Elche in Ruhe gelassen – und dort sanken die Karibuzahlen immer weiter.

Will man die gefährdeten Karibus schützen, muss man daher nicht die Wölfe abschießen – eine unbeliebte und daher in vielen Regionen aus politischen Erwägungen vermiedene Methode. Zudem sei sie nur eine kurzfristige Lösung, wie Serrouyas Team im Magazin "PeerJ" berichtet. Effektiver sei verstärkte Elchjagd – und akzeptierter obendrein, die riesigen Hirsche sind in den betreffenden Gebieten ohnehin Eindringlinge. (red, 2. 9. 2017)