Gertrude Brinek wurde 2013 für eine zweite Funktionsperiode als Volksanwältin (die sie seit 2008 ist) verlängert. Sie ist unter anderem für die Verfahrensdauer bei Gerichten und Staatsanwaltschaften zuständig.

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Gertrude Brinek, seit 2008 Volksanwältin, ist unter anderem für die Verfahrensdauer bei Gerichten und Staatsanwaltschaften zuständig. Im STANDARD-Interview zur Reform des Maßnahmenvollzugs sagt sie, man müsse beim vorliegenden Entwurf nachschärfen, etwa in Sachen Jugendschutz. Auch bei der Bezahlung von Gutachten und bezüglich der Ausbildung der Richter sieht sie Veränderungsbedarf. Länder und Sozial- sowie Gesundheitsministerium sollten sich aktiv in die Reform einbringen, fordert Brinek.

STANDARD: Was hält die Volksanwaltschaft davon, dass die Reform des Maßnahmenvollzugs nun doch nicht vor der Wahl kommt?

Brinek: Ich möchte mich weniger darauf konzentrieren, was nicht ist. Entscheidend ist für mich, dass es in die richtige Richtung geht. Im Entwurf des Justizministeriums sind die wesentlichen Punkte enthalten, Minister Wolfgang Brandstetter stößt die Türen weit auf, indem er die Vorschläge der Expertenarbeitsgruppe auf die Homepage stellt und einen breiten Diskurs einfordert.

STANDARD: Alles gut, es fehlt nichts?

Brinek: Das habe ich nicht gesagt. Vieles wird sich natürlich erst in der Umsetzung zeigen. Es gibt einige Punkte, bei denen man noch nachschärfen muss, vor allem in menschenrechtlicher Hinsicht. Wir bereiten gerade eine entsprechende Stellungnahme zum Entwurf vor.

STANDARD: Wo genau muss man nachschärfen?

Brinek: Zum Beispiel darf es für Jugendliche in keinem Fall bedeuten, dass Maßnahmenvollzug dazu führt, dass sie lebenslang eingesperrt sind. Das muss ausdrücklich klargestellt werden. Auch was ihre Ausbildung und Therapie betrifft sowie die Entlassungsvorbereitung. Und wer kümmert sich um die jungen Menschen nach ihrer Entlassung? Hier bedarf es einer nahtlosen Betreuung, gemeinsam mit der Bewährungshilfe.

STANDARD: Im Entwurf steht, dass neue Anstalten gebaut werden sollen. Wer soll für diese Anstalten verantwortlich sein?

Brinek: Hier muss man eben streng trennen. Für die vorgesehenen forensisch-therapeutischen Zentren ist das Justizministerium zuständig. Daneben sollen aber auch Unterbringungen in den psychiatrischen Abteilungen der Krankenhäuser weiterhin möglich sein. Für diese ist überwiegend die Gesundheitsverwaltung zuständig. Hier sind wir wieder mitten im Kompetenzdschungel.

STANDARD: Worauf spielen Sie an?

Brinek: Es muss sichergestellt sein, dass in den Justizzentren und in den Krankenhäusern dieselben Standards, auch hinsichtlich der Betreuungsangebote, gelten. Es besteht also ein Koordinierungsbedarf zwischen der Justiz, dem Gesundheitsministerium und den Ländern als Krankenhausträgern. Es kann nicht sein, dass man meint, das sei alles nur eine Sache des Justizministeriums.

STANDARD: Was fordern Sie?

Brinek: Ich fordere diese Ministerien auf, sich aktiv einzubringen, und die Runde mit den Ländern wird man wohl auch noch machen müssen. Es ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, dass der Maßnahmenvollzug reformiert wird, nicht eine des Justizressorts, das ohnehin schon viele über seinen Rahmen hinausgehende Aufgaben übernimmt.

STANDARD: Das Problem des Maßnahmenvollzugs ist, dass die Anhaltung oft über das eigentliche Strafmaß hinausgeht. Eine gewichtige Rolle bei der Entlassung spielen Gutachter, die etwa entscheiden, ob eine Person nicht mehr gefährlich ist. Sehen Sie den Entwurf hier als genügend an?

Brinek: Gutachten müssen auf jeden Fall besser bezahlt werden. Dann wird man auch das Problem lösen, dass es nur wenige Experten gibt, die Gutachten machen. Man verbreitert damit auch die Riege der Gutachter. Im Zuge dessen müssen auch Qualitätsstandards für diese Gutachten festgelegt werden. Zudem bin ich sehr dafür, dass die Weiterbildung der Richter ausgebaut wird. Richterinnen und Richter, die darüber entscheiden, ob eine Person in den Maßnahmenvollzug kommt, müssen zumindest über psychiatrisches Grundwissen verfügen.
(Petra Stuiber, 4.9.2017)