Weichenstellung ist gefragt: Noch stehen die Entscheidungen aus, ob die russische Breitspurbahn durch die Slowakei bis Österreich verlängert wird.

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Wien – So zügig wie von Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) beworben läuft es bei der Verlängerung der Transsibirischen Eisenbahn nach Österreich doch nicht. Im Gegenteil, es spießt sich bei dem gemeinsamen Unterfangen der Staatsbahnen von Russland, Österreich, Slowakei und Ukraine gewaltig. Wie im Statusbericht der Breitspurplanungsgesellschaft von April dargelegt, haben die Partner vor allem bei Errichtung und Finanzierung gravierende Dissonanzen, detto bei Geschäfts- und Finanzierungsmodellen.

Russische und slowakische Staatsbahn bevorzugen für die rund 400 Kilometer lange eingleisige Breitspurstrecke um 6,5 Milliarden Euro – wie von der österreichischen Regierung 2012 im Ministerrat beschlossen – die "Option 1". Diese sieht eine Teilung der Kosten für Investition, Instandhaltung und Betrieb ebenso vor wie den gemeinsamen Besitz von Infrastruktur, Güterterminals und Eisenbahnbetrieb.

ÖBB will selber bauen

Während sich der ukrainische Partner neutral verhält, kommt für Österreich nur "Option 3" infrage, bei der die Streckeninfrastruktur auf österreichischem Boden von der ÖBB-Infrastruktur errichtet und betrieben wird. Beim Nachbarn Slowakei hingegen, auf dessen Staatsgebiet der größte Teil der 400 Kilometer langen Strecke verläuft und bei dem damit auch der Großteil der Kosten anfällt, soll das Milliardenvorhaben wohl von der Staatsbahn ZSR errichtet und betrieben werden, allerdings nicht vom Staat, sondern durch ein gemischt öffentlich-privates Konsortium (Public-private-Partnership) oder überhaupt durch einen privaten Investor.

Einzig das Segment Terminals – geplant sind zwei Güterterminals im Großraum Bratislava und Wien – wird bei Option 3 in einer gemeinsamen Gesellschaft verantwortet, die privat oder öffentlich sein kann, während der Eisenbahnbetrieb von nicht näher spezifizierten Dritten ausgeführt werden soll.

Nur bis zu Staatsgrenze

Der Hintergrund für die österreichische Zurückhaltung ist klar: Bei gerechter Aufteilung der Gesamtkosten zwischen den Partnern wäre der von Österreich zu stemmende Anteil deutlich höher als bei einer Aufteilung nach Streckenabschnitten auf eigenem Staatsgebiet. Schließlich macht der Weg von der Staatsgrenze bis zum favorisierten Terminal-Standort Parndorf nur einen Bruchteil der Gesamtstrecke aus. Wiewohl der Terminal-Standort in Österreich noch nicht feststeht, wie das Verkehrsministerium betont, eine Alternative zu Parndorf an der Autobahngabelung A4 und A6 wird im Statusbericht, der dem STANDARD vorliegt, nicht genannt.

Eine Einigung mit den Partnerbahnen samt Beteiligung von RZD, ZSR, UZ und ÖBB ist für einen Geschäftserfolg unerlässlich, denn dem Milliardenprojekt Breitspur wohnt erhebliches Drohpotenzial inne: Die russische RZD kann die Güterverkehrsströme umlenken und so die Auslastung der Neubaustrecke über die Ukraine und Slowakei massiv beeinflussen, hat sie doch über Weißrussland und Polen eine weitere attraktive Zugverbindung nach Deutschland, heißt es im Bericht.

Regierungsbeschluss fehlt

Auf Schiene sind die Voraussetzungen für das Breitspurprojekt auch in Österreich nicht. Laut Ministerratsbeschluss darf sich Österreich an einer Terminalgesellschaft gar nicht beteiligen. Entsprechende Adaptierungen der Beschlüsse stehen noch aus, räumt eine Sprecherin des Verkehrsministeriums ein.

Auch die Abstimmung hinsichtlich Finanzierung, Betriebskonzept und Standortwahl fehlt. Ganz zu schweigen von der Ertüchtigung von Zulaufstrecken und Kapazitätserweiterungen im Normalspurnetz in Österreich (der Großteil der rund 22 Millionen Tonnen Containerfracht pro Jahr soll ja nach Westen weitertransportiert werden, tunlichst auf der Bahn). Der viergleisige Ostbahnausbau kommt im aktuellen ÖBB-Ausbauprogramm (Zielnetz 2025+) ebenso wenig vor wie Ausweich- und Überholstellen, die entlang der Westbahnstrecke im Wienerwald errichtet werden müssten. (Luise Ungerboeck, 4.9.2017)