Noch vor wenigen Jahren krähte kaum ein Hahn nach Keramik. Mittlerweile sind Töpferwaren und Porzellan mit Handschrift heiß begehrt. Wir besuchten vier heimische Keramikkünstler in ihren Ateliers und sprachen über Elefanten im Porzellanladen, Brad Pitt und den Zauber, der Keramik innewohnt

Sandra Haischberger in ihrer Werkstatt im vierten Bezirk, das auch für die Kundschaft geöffnet ist. Hier arbeitet sie mit sechs Mitarbeiterinnen.
Foto: Nathan Murrell

Natürlich freut mich die Wertschätzung für handgemachte Keramik, aber irgendwie ist mir die Geschichte auch ein bisschen suspekt. Für mein Gefühl ist dieser Boom ein wenig biedermeierlich, fast reaktionär. Wie gesagt, es ist schön, dass man sich für unsere Arbeit interessiert, aber ich frage mich, warum sich die Leute plötzlich in vielen Bereichen so spüren wollen. Sogar Brad Pitt töpfert gegen seinen Kummer an, wie man liest. Die Leute machen Yoga, bauen Sessel, das Essen wird total überhöht und alles zusammen überinszeniert. Man muss sich ja nur auf Instagram umschauen.

Ich denke, die Entwicklung hat auch etwas mit Nostalgie zu tun. Die Menschen verherrlichen Dinge, die früher selbstverständlich waren. Ich frage mich allerdings: Warum soll man sich heute keine Hose mehr nähen können? Was soll daran besonders sein? Manche kommen in mein Atelier und schwärmen: "Wow, das ist ja wie in alten Zeiten, und es riecht alles so gut."

Umso bedauernswerter ist es im Rahmen dieser ganzen Entwicklung, dass es in Wien keine universitäre Ausbildung zur Keramikerin gibt.

Die Masse einfärben

Ich arbeite ausschließlich mit Porzellan, also einem Teilbereich von Keramik. Der Begriff Keramik umfasst in erster Linie grobe Tonerden. Mich faszinieren die Rezepturen für Porzellan mehr als das erdige Wesen der Keramik. Porzellan besteht aus unterschiedlich hohen Anteilen von Kaolin, Quarz und Feldspat, und diese Zusammensetzung bestimmt den Weißgrad. Seinen Namen verdankt das Material übrigens einer tropischen Meeresschnecke. Marco Polo brachte im 14. Jahrhundert zum ersten Mal Porzellan aus China nach Europa.

Was die angesprochenen Rezepte betrifft, wissen wir aus vergangenen Jahrhunderten von den wildesten Geschichten inklusive Mord und Totschlag im Zusammenhang mit Spionage zwischen den Manufakturen. Auch die Alchemisten haben sich sehr mit Porzellan beschäftigt. Ich habe bis heute große Ehrfurcht vor den großen alten Manufakturen wie Augarten oder Meißen.

Bei meinem Porzellan ist das Besondere, dass ich vor langem begonnen habe, die Masse einzufärben. Das war früher eher ungewöhnlich. Es wurde lediglich farbig glasiert, was aber das für mich Reizvolle, nämlich die feine Textur und die angenehme Haptik von unglasiertem Porzellan, zudeckt. Klar haben wir im Atelier auch unsere eigenen Rezepte, die wir hüten.

Sandra Haischberger: "Bei meinem Porzellan ist das Besondere, dass ich vor langem begonnen habe, die Masse einzufärben."
Foto: Feine Dinge

Locker bleiben

Ich arbeite übrigens auf 340 Quadratmetern im vierten Bezirk. Das Besondere bei uns ist, dass Shop und Werkstatt ineinander übergehen, was vielen Kunden einen Einblick in den Schaffensprozess gewährt. Das wirkt sich wiederum auf das Kaufverhalten aus. Die Leute sind begeistert, wenn sie bei den Arbeitsabläufen zuschauen und an ihnen teilhaben dürfen.

Apropos: Porzellan ist eine Zicke und schwer zu bändigen. Es gibt immer wieder Überraschungen, wenn die Ofentüre aufgeht. Das Material hat ein absolutes Eigenleben, was jedem Streben nach Perfektion zuwiderläuft und einem schon den Nerv rauben kann. Aber das ist auch gut so, es lehrt einen, ein bisschen locker zu bleiben. Was mir zum Spruch "wie der Elefant im Porzellanladen" einfällt? Nun, es gibt sie tatsächlich, diese Elefanten, aber wenige. Es gibt die übervorsichtigen Mütter, die ihre Kinder zurückpfeifen, woraufhin dann noch viel eher etwas zu Bruch geht.

Der Weg bis zum heutigen Geschäft war ein ziemlich langer. Nachdem ich bei Matteo Thun und Enzo Mari an der Angewandten studiert hatte, war ich eine Zeitlang im Interieurbereich tätig. Mein Diplom war ein Waschbecken, von dem es damals neun Stück in den Meinl am Graben geschafft haben. Die Keramik hat mich einfach nie mehr losgelassen. Anfangs fertigte ich auf dem Dachboden Porzellanobjekte für Weihnachtsmärkte, die sich leider eher schlecht verkauft haben. Die Leute konnten damals wenig mit meinen Dingen anfangen.

Ich habe mich trotzdem getraut, mich mit einem kleinen Geschäft am Margaretenplatz selbstständig zu machen. Das war im Jahr 2005. Heute ist mein Geschäft um die Ecke, und ich habe sechs Mitarbeiterinnen. Ich habe schon den Eindruck, dass sich Frauen noch immer mehr für diese Welt interessieren. Gut also, dass Brad Pitt ein neues Hobby hat. (Michael Hausenblas, RONDO, 8.9.2017)

Sandra Haischberger bei der Arbeit in ihrem Keramikatelier im vierten Wiener Bezirk.
Foto: Nathan Murrell