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Ivanka Trump inszeniert sich gerne als Feministin – so sehen sie aber nicht viele.

Reuters/Carlos Barria

Washington/Wien – Wenn Ivanka Trump morgens in den Spiegel schaut, sieht sie eine Feministin. Eine Verfechterin der Frauenrechte. Eine Unterstützerin der Gleichberechtigung. Eine Stimme für die Arbeiterinnen. Wenn Ivanka Trump redet, klingt sie meistens auch wie eine. Doch wenn Ivanka Trump handelt – das ist eine andere Geschichte.

Das jüngste Beispiel dafür ist ihre Reaktion auf die Entscheidung ihres Vaters, des US-Präsidenten Donald Trump, der vergangene Woche anordnete, einen von Ex-Präsident Barack Obama initiierten Gesetzesentwurf zur Förderung der Lohngleichheit zurückzunehmen. Das Gesetz hätte im Frühling 2018 in Kraft treten sollen und sah vor, dass Unternehmen und Organisationen in Zukunft detailliert über die Bezahlung ihrer Mitarbeiter Buch führen müssten. Besonders in Bezug auf die Entlohnung nach Geschlecht und Herkunft sollte so mehr Transparenz – und in weiterer Folge auch mehr Gerechtigkeit – geschaffen werden. Obama wollte so das geschlechterabhängige Lohngefälle bekämpfen, das in den USA weiterhin hoch ist: Einer Studie des Institute for Women's Policy Research zufolge bekommen weiße Frauen in den Vereinigten Staaten im Durchschnitt 82 Cent für jeden Dollar, den Männer verdienen. Bei Afroamerikanerinnen sind es 68 Cent, bei Hispanoamerikanerinnen 62 Cent.

Unterstützung statt Kritik

Die von der "First Daughter", wie Ivanka Trump in Anlehnung an die Bezeichnung "First Lady" für die Ehefrau des Präsidenten genannt wird, erwartete Reaktion fiel allerdings aus. Trump, die sich gerne mit der Aussage schmückt, "ihre Frau zu stehen" und sich ihrem Vater widersetzen, wenn seine Entscheidungen nicht ihrer Überzeugung entsprechen, ließ sich lange Zeit, bevor sie die Rücknahme des Gesetzes kommentierte. Und als sie es dann tat, war es Unterstützung. Das Gesetz, so die Trump-Imperium-Erbin, hätte die beabsichtigten Ergebnisse sowieso nicht liefern können. Eine Aussage, die sie allerdings unbegründet ließ.

Trumps Ruf als Frauenrechtlerin steht spätestens auf wackeligen Beinen, seit sie ihren Vater bei seiner Wahlkampagne zum US-Präsidenten unterstützt hat. Im Laufe des Wahlkampfes sorgte er mehr als einmal für Kritik bezüglich seiner Einstellung gegenüber Frauen, etwa als eine Audiodatei an die Öffentlichkeit durchsickerte, in der er sich mit sexuellen Übergriffen an Frauen rühmte. Seine Tochter reagierte darauf "schockiert". Sie sei so eine Sprache nicht von ihm gewohnt, erklärte sie in einem Interview mit "Time"-Journalistin Nancy Gibbs. Ihr Vater habe sich jedoch entschuldigt, alles sei wieder in Ordnung.

Enge Beziehung: Laut Insidern hat kaum jemand so viel Einfluss auf US-Präsident Donald Trump wie seine älteste Tochter Ivanka.
Foto: ZUMA Press/Ron Sachs

Die Trump(f)-Karte

Auch Trumps weiteren Fehltritten begegnete seine Tochter größtenteils kommentarlos, was bald den Verdacht erweckte, bei ihrer Selbstinszenierung als Verfechterin der Frauenrechte würde es sich mehr um einen Scheinkampf zur Imageaufbesserung handeln als um einen tatsächlichen Versuch, die Bedingungen für Frauen in der Arbeitswelt zu verbessern. Dass das Weltbild der Präsidententochter in Bezug auf ebendiese Frauen eher verzerrt ist, bewies sie jüngst in ihrem zweiten Buch "Women Who Work" ("Arbeitende Frauen"), das im Mai 2017 veröffentlicht wurde. Es wurde ebenso wie ihr erstes Buch "The Trump Card" ("Die Trump(f)-Karte") von Kritikern und Lesern weitestgehend verrissen. Ihre Ansichten seien weltfremd und ihre Erfahrungen nicht mit denen einer Durchschnittsfrau der Mittel- oder Unterschicht vergleichbar, hieß es von vielen Seiten. Besonders prekär: Kurz nachdem "Women Who Work" auf den Markt gekommen war, wurden Stimmen laut, dass Trumps eigenes Unternehmen, die Modelinie "Ivanka Trump", Fabriken in Asien betreiben würde, in denen die Mitarbeiter – zu drei Vierteln Frauen – für einen Mindestlohn unter schlechten Arbeitsbedingungen arbeiten würden.

Ihre wahre Einstellung outete sie laut dem US-Magazin "The New Yorker", als sie in "The Trump Card" "bereits auf Seite neun müde wurde, so zu tun, als wäre sie mit ihren Lesern gleichgestellt", und schrieb: "Hatte ich einen Vorteil bei meinem Einstieg in die Arbeitswelt? Ja, keine Frage. Kommt drüber hinweg und lest weiter." Dabei erörterte sie aber genau den Problempunkt, den sie angeblich zu lösen versucht: Um die "Trump-Karte" zu spielen, wie sie es sich vorstellt, muss man ein Trump sein. Oder zumindest jemand, der in dieser Welt lebt. Genau diese Menschen sind von der Rücknahme von Obamas Gesetz allerdings am wenigsten betroffen. Die Frauen, für die Ivanka Trump sich vermeintlich einsetzt, dafür umso mehr. (Carla Márquez, 6.9.2017)