Etwa jeder dritte Österreicher kennt das Brennen, das die Speiseröhre hinaufkriecht. Vor allem der westliche Lebensstil fördert Reflux, sind sich Experten einig.

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Familienfeiern, Ripperlessen, Firmenausflug: So schön Essen in Gesellschaft sein kann, so sehr kann es auch auf den Magen schlagen. Etwa dann, wenn zu viel Magensäure in die Speiseröhre hinauffließt. Stichwort: Reflux. Ein häufiges Symptom davon ist Sodbrennen.

Fast jeder hat das starke Brennen in der Brust gekoppelt mit saurem Aufstoßen schon erlebt. "Aber nicht alle haben das klassische Sodbrennen. Die Reflux-Symptome können vielschichtig sein, auch Heiserkeit oder Husten zählen dazu", erklärt Klaus Emmanuel, Vorstand der Abteilung für Thoraxchirurgie an der Universitätsklinik Salzburg.

Ungefähr ein Drittel der Bevölkerung leidet einmal im Monat an einem oder mehreren der genannten Symptome. "Rund zehn Prozent davon sind manifest erkrankt und es bedarf einer weiteren Abklärung", sagt Emmanuel. Als Richtlinie gelte: Tauchen die Beschwerden mehrmals pro Woche auf, ist es ratsam, einen Arzt aufzusuchen, um die Ursachen abzuklären.

Überfordertes System

Auf den ersten Blick können zum Beispiel ein Zwerchfellbruch oder eine Muskelschwäche des Speiseröhrenschließmuskels mitverantwortlich sein. Dahinter steckt aber mehr: "Sodbrennen ist eine Zivilisationserkrankung, an der jeder zweite oder dritte Mensch leidet", weiß Martin Scharf vom Refluxzentrum Wien. "Das ist kein Zufall. Schuld daran sind vor allem unser westlicher Lebensstil, unsere Ernährung und das daraus resultierende Übergewicht."

Durch unsere sitzende Lebensweise und unser Essverhalten würden wir unser System laufend überfordern. Dadurch steige der Druck im Magen unphysiologisch in Richtung Speiseröhre an. Die Folgen: Der Speiseröhrenschließmuskel leiert aus, die Speiseröhre wird im Laufe des Lebens in den Brustraum hinaufverschoben. Dadurch fehlt der Zwerchfellmuskel als wesentliche Unterstützung des Schließmuskels.

Diese Spirale setzt sich immer weiter fort. Zusätzlich können Störungen in den Bewegungsabläufen Entzündungen in der Speiseröhre begünstigen. "Meist kommen mehrere Faktoren wie spätes Essen, Übergewicht und ein erhöhter Druck zusammen – und das System gerät ins Kippen", erklärt Scharf.

Rasche Abhilfe dank Hausmitteln

Was tun, wenn der brennende Schmerz einsetzt, was häufig in der Nacht der Fall ist? Nach einem üppigen Essen können Emmanuel zufolge Hausmittel wie Kartoffelsaft oder das Kauen einer Kartoffelscheibe die Beschwerden zumindest kurzfristig lindern. "Alles, was basisch ist, kann helfen. Vor allem dann, wenn die Symptome nicht häufig, sondern nur selten nach einem üppigen Essen auftreten." Die Wiener Diätologin Martina Backhausen kennt weitere Tipps: "Kohlensäurearmes Mineralwasser und Kräutertee spülen die Säure zurück in den Magen", erklärt sie. Auch in Wasser aufgelöste Heilerde beruhige den Magen und lindere das lästige Brennen.

Wer vorsorgen möchte, löst ein Stück zerkleinerte Süßholz-Wurzel in kochendem Wasser auf und trinkt eine Tasse davon zu jeder Mahlzeit. Sie hat eine krampflösende und entzündungshemmende Wirkung. "Vielversprechend ist es auch, den Schließmuskel der Speiseröhre mit der Proteinmethode zu stärken", erklärt die Diätologin. Dabei enthält jede fünfte bis sechste Mahlzeit eine genau ausbilanzierte Menge an Eiweiß mit Empfehlungen für bestimmte Lebensmittel wie Nüsse, Fleisch oder Milchprodukte.

Medikamentöse Therapie

Langfristig Abhilfe verschafft eine medikamentöse Therapie in Form von Protonenpumpenhemmern, sogenannten Säureblockern. Sie sorgen dafür, dass der Magensaft nicht mehr sauer ist und man ihn nicht mehr spürt. "Die Einnahme von solchen Medikamenten ändert aber nichts am zugrunde liegenden Problem", warnt Scharf. Setzt man die Medikamente ab, beginnt die Mühsal erneut.

Außerdem kann es zu Nebenwirkungen kommen, wenn die Magensäure langfristig blockiert wird. "Die Darmflora verändert sich nachhaltig, im Darm siedeln sich fremde Bakterien an, die das Gleichgewicht beeinflussen und weitere Folgen haben können", erklärt Scharf.

In vielen Fällen ist eine medikamentöse Therapie trotzdem wirkungsvoll. "Werden die Medikamente zum Beispiel über einen festgesetzten Zeitraum von mehreren Monaten eingenommen, kann sich das System beruhigen, und die Entzündung gehen zurück", weiß Emmanuel. Oftmals treten die Beschwerden danach gar nicht mehr oder nur mehr selten auf.

Empfehlung: Ernährungsumstellung

Wem eine langfristige oder sogar lebenslange Behandlung mit Medikamenten widerstrebt, der kann mit Geduld und Durchhaltevermögen gegen Sodbrennen vorgehen. Das Zauberwort lautet: Ernährungsumstellung. "Das ist sicher eine der nebenwirkungsärmsten und erfolgsträchtigsten Maßnahmen", sagt Scharf.

Die Änderung der Ernährungsgewohnheiten bedarf einer individuellen Beratung. "Generell sollten aber Lebensmittel, für die der Magen besonders viel Säure aufwenden muss, reduziert werden", empfiehlt Diätologin Backhausen. Dazu gehören fettreiche Speisen und schwer verdauliche Nahrungsmittel wie Hülsenfrüchte, Zwiebeln oder hart gekochte Eier. Vermieden werden sollte auch Essen, das den Magen reizt und dadurch die Säureproduktion anregt – zum Beispiel Bohnenkaffee, Süßigkeiten, stark gewürzte sowie zu heiße und zu kalte Speisen. "Bei Sodbrennen hilft es außerdem, mehrere kleine Mahlzeiten zu sich zu nehmen."

Auch frühes Abendessen, Bewegung nach den Mahlzeiten, der Verzicht auf Alkohol und Zigaretten, Stressabbau sowie Gewichtsreduktion haben eine vorbeugende Wirkung, so Emmanuel. Er fügt hinzu: "Die Frage ist aber, wie hoch die Lebensqualität noch ist, wenn man all diese Genussformen weglässt." Das müsse jeder individuell herausfinden.

Operativer Eingriff

Letzter Ausweg bei starkem Sodbrennen infolge von Reflux ist eine Operation. Im frühen Stadium erfolgt diese mittels eines endoskopischen Verfahrens. Dabei wird die Verbindung zwischen Speiseröhre und Magen von innen verengt.

Die gängigere Variante betrifft das fortgeschrittene Stadium: Bei der minimalinvasiven Fundoplikation wird der Mechanismus zwischen Speiseröhre und Magen wiederhergestellt. Rund 90 Prozent der Patienten benötigen danach keine Medikamente mehr. "Die Lebensqualität aller Patienten verbessert sich enorm", sagt Emmanuel.

Seltene Folge: Speiseröhrenkrebs

Eine Operation könne darüber hinaus auch vor einem Tumor, dem sogenannten Barrett-Karzinom, bewahren, so der Chirurg. Denn unbehandelt kann Sodbrennen in seltenen Fällen und über Jahrzehnte hinweg zu Speiseröhrenkrebs führen. Wenn immer wieder saurer Magensaft in die Speiseröhre fließt, kommt es zu einem chronischen Entzündungsreiz. Die Magenschleimhaut passt sich an und wächst zungenförmig in die Speiseröhre hinauf.

Die Diagnose wird mittels Magenspiegelung und Gewebeproben gestellt. Scharf warnt jedoch zur Vorsicht: Der Verdacht auf Barretts-Schleimhaut sei nicht automatisch mit einer Krebserkrankung gleichzusetzen. "Das Risiko, dass sich daraus Krebs entwickelt, ist bei der häufigsten Form der Barrett-Schleimhaut sehr gering." Wichtig sei es aber, Barrett-Schleimhaut mittels Gastroskopie festzustellen und die Patienten einem angepassten Überwachungs- oder Behandlungsprogramm zuzuführen. (Maria Kapeller, 11.9.2017)