Wien – Bundeskanzler Christian Kern und Kanzleramtsminister Thomas Drozda (beide SPÖ) haben einen Baustopp für die umstrittene Antiterrormauer vor dem Kanzleramt verhängt. Ein Sprecher Kerns bestätigte Donnerstagmittag auf STANDARD-Anfrage einen entsprechenden Bericht der "Krone". Zu den geplanten Mauern vor der Präsidentschaftskanzlei gab es seitens der zuständigen Burghauptmannschaft mit Verweis auf Sicherheitsbedenken keine Auskunft.

Vor wenigen Tagen war der Mauerbau noch im Gange – mehr Bilder in Newalds Photoblog.
Foto: Newald

Genau genommen hat Drozda Donnerstagmittag im Auftrag von Bundeskanzler Christian Kern den Stopp des "Mauerbaus" auf dem Ballhausplatz verfügt, wie ein Sprecher der Austria Presse Agentur bestätigte. Im Kanzleramt sieht man nun das Innenministerium gefordert: Die zuständigen Stellen dort sollen für das Regierungsviertel und andere "neuralgische Punkte in der Stadt" alternative Sicherheitskonzepte ohne Mauern vorlegen, hieß es aus dem Kanzleramt.

Innenminister ist irritiert

Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) kritisierte wenig später den "plötzlichen Schwenk" des Kanzlers als "Posse". "Eine saubere Lösung hätte man auch früher schon haben können", meinte er. Man stelle dem Kanzler "gerne nochmals" das ursprüngliche Sicherheitskonzept des Innenministeriums zum Regierungsviertel zur Verfügung, das eine Kombination aus Verkehrsberuhigung und Pollern vorgesehen habe.

Sobotka: "Steuergeld versenkt"

"Es waren das Bundeskanzleramt und die Stadt Wien, die eine Mauer haben wollten", betonte Sobotka. Auch der endgültige Auftrag zum Bau der Mauer sei aus dem Bundeskanzleramt gekommen. "Der Frage, wie viel Steuergeld bisher sprichwörtlich im Boden versenkt wurde, müssen sich die Stadt Wien und das Bundeskanzleramt stellen", merkte Sobotka süffisant an.

Für öffentliche Plätze in Wien gebe es außerdem "schon seit geraumer Zeit konkrete Vorschläge der zuständigen Landespolizeidirektion", die er gerne umgesetzt sähe, erklärte Sobotka, doch die letzte Entscheidung liege bei der Stadt Wien.

Drozda: Davon auf Twitter erfahren

Im Kanzleramt stellt man die Entstehungsgeschichte anders dar: Er habe von der Mauer auf Twitter erfahren, ursprünglich sei nur von einer Verbreiterung der Gehsteige die Rede gewesen, sagte Kanzleramtsminister Drozda der Tageszeitung "Österreich". Der Innenminister habe ihm "versichert, dass er es selbst nicht gewusst hat", erklärte Drozda. "Das war Kakanien in Reinkultur. Es gab keine einzige politische Entscheidung – die haben jetzt wir getroffen", meinte der Kanzleramtsminister mit Blick auf den verhängten Baustopp.

"Diese Mauer ist auf jeden Fall Geschichte", betonte Drozda. Die Mauer sei "ein verheerendes Signal", man brauche ein Sicherheitskonzept "für die gesamte Bevölkerung und nicht nur fürs Regierungsviertel".

Bei einem STANDARD-Lokalaugenschein vor wenigen Tagen zeigten Passanten wenig Verständnis für den Mauerbau.
DER STANDARD

Seit Tagen Kritik

Die Pläne für neue Schutzmaßnahmen im Regierungsviertel reichen laut Innenministerium bereits ins Jahr 2014 zurück. Die entsprechende Baustelle platzte nun allerdings mitten in den Wahlkampf. Vor allem die "Kronen Zeitung" trommelte seit Tagen gegen den Bau der Mauerblöcke und Poller. Empört gaben sich etwa FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und der blaue Volksanwalt Peter Fichtenbauer, die der Regierung vorwarfen, nur sich selbst zu schützen. Andere, wie der Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien, Gerald Bast, sorgten sich ums Stadtbild. Auch die IG Autoren hatte eine Einstellung des Baus gefordert.

Informationsdefizit

Die roten und schwarzen Regierungsstellen schoben sich in der Diskussion gegenseitig den schwarzen Peter zu, so zeigt man sich etwa im Kanzleramt einigermaßen sauer darüber, dass es auf politischer Ebene seitens des Innenministers keine Informationen über den Mauerbau gegeben habe.

Geplant waren fünf Mauerblöcke vor dem Kanzleramt, jeweils rund acht Meter lang und 80 Zentimeter hoch und einen Meter breit mit Durchgängen dazwischen sowie 15 fixe und zwei ausfahrbare Poller. (red, APA, 7.9.2017)