Rose (Bildmitte: Maria Happel) drängt in "Gypsy" Kinder auf die Bühne – auch die eigenen.


Foto: Jenni Koller / Volksoper Wien

Lernen während der Vorstellung: Werner Sobotka.


Foto: Volksoper

STANDARD: Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Kabarett, unterhaltendes Theater und Satire. Sie haben auch viele Musicals inszeniert – ist das nicht eine humorlose Gattung?

Sobotka: Das kommt darauf an. Musical ist ein sehr vielfältiges Feld. Ich finde es schade, dass davon nur ein sehr kleines Segment bekannt ist. Musical ist aber weit mehr als Cats und Kiss Me Kate! Es gibt unglaublich viel, und das macht mir Spaß – die Stile sind so unterschiedlich, dass einem nie fad wird. Aber genauso macht es mir Freude, Fernsehen oder Theaterinszenierungen zu machen oder mit den Hektikern zu spielen.

STANDARD: Bei "Gypsy" hat man es mit einem ernsten Stoff zu tun, der allerdings die Unterhaltung sehr vor sich herträgt – schon mit dem Titelsong "May We Entertain You" / "Let Me Entertain You" ...

Sobotka: Genau. Das Interessante an Gypsy ist, dass es in Amerika bis zum heutigen Tag nach der West Side Story als das erfolgreichste Musical überhaupt gilt. In Europa kennt man es praktisch nicht, was sehr schade ist. Das Stück gilt als die Mutter aller Musicals im doppelten Sinn, weil es um eine Mutter geht, die ihre beiden Kinder auf die Bühne pusht und eine klassische "Stage Mother" ist – bei uns sagt man dazu Eislaufmutter. Die großartige Maria Happel ist eine Idealbesetzung für diese Rolle. Die Beziehung zu ihren beiden Töchtern ist das Hauptthema des Stücks – mit einem sehr ernsten Thema, das allerdings schon humoristisch aufbereitet ist. Es ist eine tragikomische Geschichte, die leider zeitlos ist, wenn man nur daran denkt, wie Eltern ihre Kinder – sei es in der Schule oder in seltsamen TV-Formaten – als Ersatz für die eigene Selbstverwirklichung missbrauchen.

STANDARD: Wie viel Spielraum haben Sie hier als Regisseur? Beim Musical ist man ja sehr oft an sehr enge Auflagen gebunden, was die Ästhetik betrifft.

Sobotka: Ja, da gibt es die Replica-Stücke, bei denen man das Original eins zu eins nachinszenieren muss. Das habe ich Gott sei Dank noch nie gemacht, weil es mich überhaupt nicht interessieren würde. Wenn man eine Lizenz für ein Musical bekommt, muss man sich an das Buch halten, darf aber gewisse Dinge ändern, nichts hinzufügen, aber manches streichen. Was die Ästhetik betrifft, kann man sich da schon sehr frei bewegen.

STANDARD: Was ist Humor?

Sobotka: Diese Frage ist wahrscheinlich so alt wie der Humor selbst. Zunächst einmal ist er eine Geschmackssache, und es wäre arrogant zu sagen, was guter und schlechter Humor ist. Für mich ist platter Humor nach der Holzhammermethode weniger interessant. Ich mag sehr politisches Kabarett, bin wie viele meiner Generation von Loriot geprägt, aber auch von Monty Python, mag Hape Kerkeling – und natürlich die österreichischen Kabarettisten wie Gerhard Bronner und Georg Kreisler.

STANDARD: Wenn man eine Pointe vor Publikum serviert, weiß man ja nie, ob sie funktioniert. Gibt es handwerkliche Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit verstärken, dass ein Gag funktioniert?

Sobotka: Es gibt natürlich handwerkliche Faktoren, aber über allem steht der Begriff "funny bones" – wenn jemand ein gewisses Gespür hat, kann er sich mit technischen Hilfsmitteln irrsinnig steigern. Wenn das jemandem fehlt, kann man ihm in einem Stück mit dem Timing und der Dramaturgie helfen – aber das muss nicht zwingend funktionieren. So wie man Persönlichkeit nicht lernen kann, ist es auch mit dem komischen Talent. Am meisten lernt man immer erst während einer Vorstellung: Das Publikum ist der beste Lehrmeister. (Daniel Ender, 8.9.2017)

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