Ruth Maders "Life Guidance".

Foto: KGP Kranzelbinder Gabriele Production
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Wie jedes Jahr, wenn die Filmfestspiele von Venedig zu Ende gehen, herrscht das Rätselraten, wer diesmal mit dem Goldenen Löwen abreisen darf. Mancher hat es dann natürlich schon geahnt, weil die Jury, heuer unter der Leitung von US-Schauspielerin Annette Bening, eben auch strategisch die Preise vergeben muss. Schließlich gilt es auch noch, die beste Regie sowie die beste Darstellerin und den besten Darsteller zu finden.

Wobei zum Gesamtpaket auch gehört, nicht alle Preise über nur einen Kontinent auszuschütten. Für den Hauptpreis ins Gespräch gebracht haben sich Guillermo del Toro mit seiner Fantasyfabel The Shape of Water und der Crowdpleaser Three Billboards Out of Ebbing, Missouri, in dem die störrische Frances McDormand die Ruhe einer Kleinstadt stört.

Autorenkino zum Finale

Dass im Finale das Autorenkino noch einmal versuchte, der Dominanz des US-Kinos etwas entgegenzusetzen, bewiesen Abdellatif Kechiche mit Mektoub, My Love: Canto Uno und die Chinesin Vivian Qu mit ihrem Drama Jia Nian Hua (Angels Wear White). Der vormalige Cannes-Gewinner Kechiche (Blau ist eine warme Farbe) erzählt in seiner jüngsten Arbeit weniger eine Geschichte als von einem Zustand: Ein wie Kechiche tunesischstämmiger Franzose kehrt aus Paris an einen Urlaubsort am Mittelmeer zurück.

Movie Trainer

Gemeinsam mit seinem Cousin Tony taucht der schüchterne Amin in eine Welt ein, die ihm vertraut und dennoch fremd ist. Im Mittelpunkt stehen aber die Frauen: am Strand und in der Disco, voller Begehren und Begierde, mit Lust und voller Liebe möglicherweise. Kechiche ist sich insofern treu geblieben, als er auch in Mektoub formal brillant dramaturgische Blöcke aneinanderreiht – aber auch damit, dass er sich mit seinem voyeuristischen Blick auf die Frauenkörper angreifbar macht.

Screen International

In einer Nebenschiene am Freitag lief auch der österreichische Beitrag von Ruth Mader. Life Guidance ist ein Science-Fiction-Film, in dem Wien zwar so aussieht wie in der Gegenwart, in dem die sogenannten Leistungsträger im dunklen Anzug jedoch von einer Agentur optimiert werden. Dann sitzen erwachsene Männer wie Kindergartenkinder im Bastelkurs, während die "Lebensbegleiter" auch die Herrschaft über die Familie übernehmen. Kein ganz neuer Blick auf alte Ängste. (Michael Pekler aus Venedig, 8.9.2017)