Gemeinsam mit Irmgard Griss und Alde-Chef Guy Verhofstadt läutete Matthias Strolz den Wahlkampf ein.

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Wien – Das Timing war nicht perfekt, aber Neos-Parteichef Matthias Strolz ließ sich weder von dem zu früh gestarteten pinken Konfetti bremsen, noch von der Verspätung seines extra angereisten Unterstützers Guy Verhofstadt irritieren. Der pinke Intensivwahlkampf ist eröffnet, Strolz und seine Nummer zwei, Irmgard Griss, wurden von den etwa 800 Besuchern umjubelt.

Die Veranstaltung auf dem Campus der Wiener Wirtschaftsuniversität ist auf das Neos-Zielpublikum abgestimmt: Wer noch keine pinke Sonnenbrille hat, kann sie kaufen, Foodtrucks säumen den Campus, und die Neos-eigene Band Wahlfreiheit – das pinke Pendant zur freiheitlichen John Otti Band – spielt auf.

Strolz will in Regierung

Die Besucher jubeln Parteichef Matthias Strolz zu, als er unverhohlen bekräftigt, in die Regierung zu wollen – als Bildungsminister oder als Vizekanzler: "Ich bin bereit". Österreich stehe am "Vorabend einer heftigen Entscheidung". Bei Schwarz-Blau sehe er die Gefahr eines nationalpopulistischen Machtverständnisses nach ungarischem Vorbild – eines Orbánismus. Bei Rot-Blau fürchte er eine "dumpfe, völkische, folkloristische Schuldenpolitik". Aber: "Wenn sich die Chance auf eine Regierungsbeteiligung ergibt, dann werden wir das entschlossen verhandeln", schwört Strolz seine Parteifreunde auf die kommenden 37 Tage bis zur Wahl ein. "Wollt ihr einen Vizekanzler Strache oder einen Vizekanzler Strolz?", fragt er seine Anhänger und beantwortet diese Frage gleich selbst.

Die Inhalte der Neos sind bekannt: Europa, Bildung, Eigenverantwortung und Freiheitswille. Auch die Strolz'schen Sprachbilder von "Flügel heben" bis "System aufbrechen" dürfen in der rund 30 Minuten dauernden Rede nicht fehlen. Strolz ist ein Energiebündel, auf der Bühne vor seinen Mitstreitern ist er in seinem Element. Nicht umsonst hat er im Team auch den Spitznamen "Flügerl".

Unterschiedliche Temperamente

Ganz anders das Auftreten der Nummer zwei: Irmgard Griss redet ruhig und besonnen, sie streut den Neos Rosen, sie seien die einzige Partei, die verantwortungsbewusst handle: "Nur die Neos tragen Verantwortung für die Gegenwart und die Zukunft." Die Grundeigenschaften der EU wie die Personenfreizügigkeit dürften nicht angetastet werden. "Wir dürfen die EU nicht zurückfahren."

Dass Strolz und Griss unterschiedliche Temperamente haben, ist beiden bewusst. "Uns trennen Generationen", sagt die frühere Präsidentschaftskandidatin, er nennt sie scherzhaft seine "Lebensabschnittspartnerin", der er versprochen habe, nicht mehr "Scheiße" zu sagen. Er freue sich, dass sie einander gefunden haben und gemeinsam durch das Land touren.

Unterstützt weden die Pinken wie schon beim Wahlkampf 2013 vom Belgier Guy Verhofstadt. Der Vorsitzende der liberalen Alde-Fraktion im Europäischen Parlament erklärt, die Neos seien "auf der richtigen Seite der Geschichte", und zitiert die Schlappen rechtspopulistischer Parteien in Europa, wie zuletzt in Frankreich und in den Niederlanden.

Ähnliche Töne gibt es auch von der Wiener Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, sie warnt vor der Politik mit der Angst und dass im Wahlkampf den "Wählern nur Sand in die Augen gestreut" werde. Unrealistische Wahlversprechen werde es bei den Neos nicht geben. (Marie-Theres Egyed, 8.9.2017)