Porsche-Betriebsrat Bernhard Auinger (43) soll für die Salzburger SPÖ den Bürgermeistersessel in der Landeshauptstadt retten.

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Salzburg – Es gibt ein Wort, das die SPÖ-Funktionäre an der Salzach gar nicht gerne hören: "Stingl-Effekt". Gemeint sind der Verlust des Bürgermeisteramts und danach das langsame Zerbröseln der Partei, nachdem Alfred Stingl und die SPÖ bei der Grazer Gemeinderatswahl 2003 erstmals seit 1945 hinter der ÖVP nur Rang zwei errungen hatten. Ähnliches, unken die Pessimisten in der Salzburger SPÖ, drohe auch nach Heinz Schaden. Salzburgs Langzeitbürgermeister wird nach der nicht rechtskräftigen Verurteilung im Zusammenhang mit dem Spekulationsskandal am 20. September zurücktreten.

Natürlich ist die Grazer Situation 2003 auf Salzburg 2017 nicht einfach so umlegbar. Stichwort: KPÖ. Aber es gibt trotzdem Parallelen – vor allem in der SPÖ: Stingl wie Schaden waren dominante Bürgermeister, die in der Partei neben sich niemanden groß werden ließen. Schaden hat das zwar zum Schluss erkannt und Gemeinderatsklubobmann Bernhard Auinger zu seinem Nachfolger gekürt, die Zeit, um Auinger einer breiten Öffentlichkeit auch bekannt zu machen, ist freilich recht knapp bemessen.

Letzte SPÖ-Hochburg

Auinger muss nun – fast aus dem Stand – bei der nach dem Schaden-Rücktritt notwendig gewordenen Bürgermeisterdirektwahl am 26. November gegen die Kandidaten von ÖVP, Grünen, FPÖ, Neos und einer Namensliste für die Sozialdemokraten den Bürgermeistersessel verteidigen. Wobei nur der schwarze Vizebürgermeister Harald Preuner (57) realistische Chancen hat, in die Stichwahl am 10. Dezember zu kommen; Preuner allerdings mit dem Vorteil, als "geschäftsführender Bürgermeister" im Ring zu stehen. Und das mit der mächtigen Landespartei samt Landeshauptmann Wilfried Haslauer im Rücken.

Für die SPÖ geht es um viel: Verliert man diesen Herbst den Bürgermeister, dann stehen die Chancen, diesen beim kommenden regulären Gemeindewahltermin im März 2019 wieder zurückzuholen, nicht besonders gut. Die Sozialdemokraten hätten damit ihre letzte Bastion im tiefschwarzen Salzburg verloren. Bei der Landtagswahl Ende April 2018 spielen die Sozialdemokraten ohnehin nur mehr eine untergeordnete Rolle: Sie rittern in den Umfragen mit den Grünen um Platz drei.

Wohnbau und Schulen

Um irgendwie in die Gänge zu kommen, hat Bernhard Auinger der SPÖ einen – für Salzburger Verhältnisse ziemlich radikalen – Kurswechsel verordnet. Schadens Spardiktat wurde kurzerhand über Bord geworfen, um einem Investitionsprogramm Platz zu machen: Ein 150-Millionen-Euro-Programm zur Sanierung der städtischen Schulen ist das deutlichste Zeichen dafür.

Und da werden auch Tabus angetastet. Auinger will den kommunalen Wohnbau aktivieren. Im Klartext: Die stadteigene Immobiliengesellschaft soll selbst Wohnungen bauen. Allerdings nur im kleinen Stil, um Baulücken zu füllen. "Sonst bräuchten wir eine eigene Hochbauabteilung", sagt Auinger. Die großen Bauprojekte sollen weiterhin bei den Genossenschaften verbleiben.

Regionalstadtbahn

Am deutlichsten wird der Kurswechsel bei Auingers Ansagen zur Verkehrspolitik. Schadens kategorisches Nein zu jeder Form eines schienengebundenen Verkehrsmittels in der Stadt Salzburg – sei es unterirdisch oder oberirdisch als Verlängerung der aus dem Norden kommenden Lokalbahn – ist für die SPÖ plötzlich hinfällig. Die von den Umlandgemeinden vehement geforderte und betriebene "Regionalstadtbahn" ist plötzlich wieder Thema. Es werde nicht ohne Schiene gehen, meint Auinger, der für eine "oberirdische Durchbindung" eintritt. Zu prüfen wäre allerdings, wie das mit dem Weltkulturerbestatus vereinbar sei.

Auinger kann sich unter gewissen Voraussetzungen – wie einer flächendeckenden Parkraumbewirtschaftung – sogar eine weitere Verdrängung des Autos aus der Altstadt vorstellen; etwa mit der Sperre des Neutors durch den Mönchsberg. Das war mit Schaden ebenso wenig zu machen wie eine Neuverhandlung jenes Vertrags, der die Leistung der O-Bus-Kilometer durch die Salzburg AG auf rund 6,2 Millionen Kilometer pro Jahr de facto limitiert. Auch da soll nachjustiert werden.

Wobei die flächendeckende Parkraumbewirtschaftung wohl eher nicht so schnell kommen wird. Die ÖVP versucht mit Blick auf die Landtagswahl 2018 alles, um das Vorhaben zu torpedieren. Derzeit blockiert das Land mit rechtlichen Einwänden das Projekt.

"Keine Schaden-Kopie"

Wie glaubwürdig Auinger, der mit 15 im Porsche-Konzern als Lehrling angefangen hat und heute freigestellter Betriebsratsvorsitzender bei der Porsche-Holding ist, als Vertreter der Automobilwirtschaft mit seiner Hinwendung zum öffentlichen Personennahverkehr ist? Er führt genau das ins Treffen: Die Automobilwirtschaft habe sich längst vom innerstädtischen Verkehr gelöst, der Individualverkehr werde sich massiv verändern, prognostiziert Auinger und verweist auf entsprechende Strategiepapiere der Konzerne.

Er sei eben "keine Schaden-Kopie", sagt Auinger im STANDARD-Gespräch. Dass man das bis dato nicht so gemerkt habe, liege an seiner bisherigen Funktion. Als Klubobmann im Gemeinderat habe er die Aufgabe gehabt, dem Bürgermeister den Rücken freizuhalten.

Zwei Legislaturperioden

Geht es nach den in Salzburg kursierenden Umfragen, dann liegen aktuell Auinger und Preuner in der Wählergunst gleichauf. Beide allerdings mit je rund 20 Prozent eher schwach. Schaffe er es am 26. November nicht in die Stichwahl, dann kehre er der Politik den Rücken, sagt Auinger. Werde er Bürgermeister, "denke ich in zwei Funktionsperioden". (Thomas Neuhold, 12.9.2017)